Market Timing

Trendfolgestrategie mit ETF: Ohne Crash, weniger Cash

Von Markus Neumann

Eine Trendfolgestrategie mit dem gleitenden Durchschnitt ist nicht immer erfolgreich

Verfechter von Market-Timing-Strategien versprechen Aktienanlegern den Himmel auf Erden: Hohe Gewinne bei minimalem Risiko. Fairvalue hat die beliebteste Trendfolgestrategie mit börsengehandelten Indexfonds (ETF) getestet. Die Ergebnisse zeigen, was Anleger wirklich von diesem Konzept erwarten können.

Es gibt wohl kaum einen Anleger, der nicht von üppigen Renditen träumt, aber gleichzeitig von Kursschwankungen und Börsencrashs verschont bleiben möchte. Seit es Aktien gibt, suchen Investoren nach einer solchen Superstrategie – und hin und wieder sieht es auf den ersten Blick so aus, als sei der Stein der Börsenweisen endlich gefunden. Im Sommer 2019 etwa pries Focus Online in der gewohnt marktschreierischen Manier dieser Publikation eine „überlegene ETF-Strategie“ an, die „für jedes Ereignis in der Zukunft gewappnet“ sei. „Risiko? Fehlanzeige. Jährliche Renditen? Eine Selbstverständlichkeit“, jubelte die digitale Gazette.

Ein halbes Jahr zuvor war in der Online-Ausgabe der sonst eher leisen Neuen Zürcher Zeitung ein Beitrag erschienen, in dem der Autor Vermögensverwaltern vorwarf, Kunden um Milliarden Schweizer Franken zu prellen, weil sie sich modernen, erfolgreichen Investmentstrategien verweigerten – mit längst überholten Argumenten aus dem vorigen Jahrhundert.

In beiden Artikeln dreht es sich um sogenannte Market-Timing-Strategien. Dabei geht es um die hohe Kunst, in Aktien und anderen riskanten Anlagelageklassen investiert zu sein, wenn die Märkte steigen, und rechtzeitig wieder zu verkaufen, wenn die Kurse fallen. Würde das dauerhaft gelingen, wäre eine solche Timing-Strategie tatsächlich ein Dukatenesel, der alle anderen Anlagekonzepte in den Schatten stellt.

Das Problem ist nur, dass kein Investor die Zukunft kennt. Wie sich die Kurse entwickeln werden, ist und bleibt unbekannt, auch wenn manche Medien und die darin auftretenden „Experten“ regelmäßig etwas anderes suggerieren. Für eine erfolgreiche Timing-Strategie ist es aber gar nicht notwendig, die Umkehrpunkte an den Märkten exakt vorherzusagen. Es würde schon reichen, irgendwo in der Nähe von Hochs zu verkaufen und später auf einem niedrigeren Niveau wieder einzusteigen, wenn sich der Markt wieder im Aufwärtstrend befindet.

Trendfolgestrategie mit dem gleitenden Durchschnitt

Dieses Ziel verfolgen sogenannte Trendfolgestrategien. Sie basieren auf Indikatoren, die sich aus den Kursen der Vergangenheit berechnen lassen. Trendfolgeindikatoren sollen Anlegern signalisieren, wann sie in einen Markt einsteigen und wann wieder austeigen müssen. Der am häufigsten verwendete Indikator ist der einfache gleitende Durchschnitt, auch Simple Moving Average (SMA) genannt.

Die Berechnung des einfachen gleitenden Durchschnitts ist simpel: Die zurückliegenden Kurse eines Index oder eines Wertpapiers werden für eine beliebige Anzahl von Tagen – endend mit dem jeweils aktuellsten Preis – addiert und anschließend durch die Anzahl der Tage dividiert. Diese Prozedur wird täglich für dieselbe Anzahl von Tagen wiederholt, sodass der jeweils älteste Kurs herausfällt und der neueste hinzukommt. Auf diese Weise entsteht ein geglätteter Kursverlauf, der die täglichen Preisschwankungen je nach Länge des gewählten Zeitintervalls mehr oder weniger ausblendet.

Die populärsten Zeitintervalle für die Berechnung des gleitenden Durchschnitts sind 38, 90 und 200 Tage. Der Graph, der aus einem täglich aktualisierten Moving Average entsteht, wird entsprechend 38-Tage-, 90-Tage- und 200-Tage-Linie genannt.

Eine Trendfolgestrategie auf Grundlage solcher gleitender Durchschnitte ist für Anleger einfach umzusetzen: Notiert der aktuelle Kurs des Index oder Wertpapiers oberhalb des gewählten gleitenden Durchschnitts, wird das als Aufwärtstrend interpretiert und der Anleger kauft das Wertpapier. Fällt der Kurs unter den Moving Average, gilt das als Beginn eines Abschwungs und als Ausstiegssignal.

Mal drunter, mal drüber: Verlauf des MSCI World Index seit 1999 und dessen 200-Tage-Linie

Trendfolgestrategie: 200-Tage-Linie des MSCI World

Quellen: MSCI, Fairvalue-Berechnung, Stand: August 2019.

Bestechende Studien zu Trendfolgestrategien

Es gibt eine Reihe von Untersuchungen, die zeigen, dass Trendfolgestrategien auf Basis gleitender Durchschnitte ziemlich gut funktionieren. Danach liegen die Renditen zum Teil deutlich über denen einer Buy-and-hold-Strategie, bei der ein Anleger durchgehend in einem Wertpapier investiert bleibt. Gleichzeitig waren die Wertschwankungen (Volatilität) und die maximalen Wertverluste (gemessen von einem Hoch- zu dem darauffolgenden Tiefpunkt) erheblich geringer.

Die am meisten beachtete Analyse stammt von Mebane „Meb“ Faber. Der US-Amerikaner ist Chef des Vermögensverwalters Cambria und eine Art Popstar der Finanzindustrie. Faber hat eine Reihe von Büchern über Geldanlage verfasst, betreibt einen Blog, einen Podcast und ist auf Social-Media-Kanälen omnipräsent. Seine Untersuchung zu Portfoliostrategien mit gleitenden Durchschnitten, deren erste Fassung im May 2006 erschien, ist ein Bestseller. Mit mehr als 224.000 Downloads (Stand: August 2019) führt die Studie seit Jahren die Hitliste des Research-Networks SSRN an, wo Forscher und Praktiker aus sozialwissenschaftlichen Disziplinen die Ergebnisse ihrer Untersuchungen veröffentlichen können.

Faber testete unter anderem eine Trendfolgestrategie auf Basis des gleitenden Durchschnitts über 200 Tage an einem gleichgewichteten Portfolio aus fünf Anlageklassen: US-Aktien, Aktien Industrieländer Ausland, US-Anleihen mit 10 Jahren Laufzeit, Rohstoffe und Immobilienaktien. Diese Segmente bildete er mit Indizes ab, deren Wertentwicklung Anleger mit  börsengehandelte Indexfonds (ETF) kopieren können.

Jede Anlageklasse wurde in dem Zeitraum von 1973 bis 2012 einzeln gehandelt, sodass sich die Portfoliozusammensetzung immer wieder änderte. Notierte der aktuelle Preis einer Anlageklasse zum Monatsende unter der 200-Tage-Linie wurde sie verkauft und das Kapital in sichere US-Staatsanleihen mit einer Restlaufzeit von einem Monat (T-Bills) umgeschichtet.

Fabers Ergebnisse dieser simplen Trendfolgestrategie sind bestechend, wie die folgende Tabelle zeigt. Sein Fazit: Die Trendfolgestrategie erzielt aktienähnliche Renditen bei einem Risiko wie dem von Anleihen.

Fabers Backtest: Die Trendfolgestratgie lieferte ausgezeichnete Ergebnisse

Quelle: Mebane Faber, Stand: August 2019.

Fairvalue testet Moving-Average-Strategie

Zu schön, um wahr zu sein? Wir machen die Probe aufs Exempel und testen die Timing-Strategie mit gleitenden Durchschnitten an einem von Fairvalue entwickelten ETF-Portfolio, das aus acht gleichgewichteten Anlageklassen besteht: Aktien Industrieländer, Aktien Schwellenländer, Nahrungsmittelaktien global, Immobilienaktien Europa, Anleihen Schwellenländer, High-Yield-Bonds global, Gold und Rohstoffe. Wie Faber bilden wir die Anlageklassen mit Indizes ab. Keiner dieser Indizes ist in seinem Portfolio enthalten. Eine Überschneidung gibt es nur bei den Industrieländeraktien. Unsere Datenreihen beginnen im Januar 2002 und enden im Dezember 2017 – eine Anlagedauer von knapp 16 Jahren.

Zunächst untersuchen wir verschiedene Varianten der Trendfolgestrategie. Wir testen unterschiedliche gleitende Durchschnitte (38, 90 und 200 Tage) in Kombination mit drei Handelsfrequenzen (täglich, monatlich quartalsweise). In einer Version ersetzen wir den aktuellen Kurs der jeweiligen Anlageklassen durch die 38-Tage-Linie. Ein Handelssignal entsteht, wenn dieser gleitende Durchschnitt die 200-Tage-Linie nach oben oder unten durchbricht.

Die Ergebnisse unserer Tests im Vergleich zu einem gleichgewichteten Buy-and-hold-Portfolio, das jährlich einmal auf die Ursprungsgewichtung zurückgesetzt wurde (Rebalancing), fasst die folgende Tabelle zusammen.

Trendfolgestrategien: Geringeres Risiko, aber auch niedrigere Renditen

Quellen: Morningstar Direct, Portfolio Visualizer, Fairvalue, Stand: August 2019.

Nur zwei der Trendfolgestrategien lieferten eine höhere durchschnittliche Rendite pro Jahr als die Buy-and-hold-Strategie. In allen Fällen sind aber die Volatilität und der maximale Wertverlust deutlich niedriger. Das führt unter dem Strich zu höheren Renditen im Verhältnis zum Risiko. Diese relative Rendite misst die Sharpe Ratio.

Trendfolgestrategie: Stark im Abschwung, schwach im Aufschwung

Berücksichtigt man alle Kennzahlen, funktionierte auch in unserem Test die von Faber verwendete Trendfolgestrategie auf Monatsbasis mit der 200-Tage-Linie am besten. Diese Strategie nehmen wir genauer unter die Lupe. Zunächst ein Blick auf die Jahresrenditen:

Jahresrenditen im Vergleich zu Buy-and-Hold

Quellen: Morningstar Direct, Portfolio Visualizer, Fairvalue, Stand: August 2019.

Von 16 Jahren schneidet die Trendfolgestrategie nur in vier besser ab als das Buy-and-hold-Portfolio. Im Jahr 2011 liegen beide Strategien nahezu gleichauf und in den verbleibenden elf Jahren hinkt die Trendfolgestrategie hinterher. Ihr kleiner Renditevorsprung über den gesamten Zeitraum resultiert allein aus der besseren Wertentwicklung in Kursabschwüngen, vor allem während des Crashs am Weltaktienmarkt im Jahr 2008. Das gut diversifizierte Buy-and-hold-Portfolio verlor damals knapp 26 Prozent (der MSCI World sank um mehr als 37 Prozent). Die Trendfolgestrategie büßte nur knapp 7 Prozent ein.

Das Market-Timing-Konzept lebt offensichtlich von größeren Börsencrashs, die länger andauern und weit über die 20-Prozent-Marke hinausgehen. Denn während der beiden Kursstürze in dieser Größenordnung in den Jahren 2011 und 2015 erwirtschaftete die Trendfolgestrategie keinen Vorsprung.

Eine Detailanalyse dieser Strategie enthält das folgende PDF, das Sie kostenlos herunterladen können. Darin ist auch dokumentiert, wie sich die Zusammensetzung des Portfolios im Zeitverlauf immer wieder änderte: Trendfolgestrategie 200-Tage-Linie

Auch andere Studien heben die Bedeutung von Börsencrashs hervor

Dass Trendfolgestrategien auf Basis des Moving Average nur dann ähnlich hohe oder höhere Renditen als eine Buy-and-hold-Strategie liefern, wenn der Testzeitraum länger anhaltende Kursstürze von 50 Prozent und mehr umfasst, bestätigen auch Untersuchungen des Finanzmarktforschers Valeriy Zakamulin. Der Professor für Finanzen an der norwegischen Universität Agder zählt weltweit zu den Wissenschaftlern, die sich am intensivsten mit Market-Timing-Strategien auf der Grundlage von gleitenden Durchschnitten auseinandergesetzt haben. Ihm zufolge sorgten auch auf lange Sicht nur vier große Crashs in der Börsengeschichte (1930-31, 1973-74, 2001-2002, 2007-2008) für die gute Wertentwicklung von Moving-Average-Strategien.

Untersucht man dagegen Zeiträume, in denen es vergleichsweise ruhig an den Börsen zuging, etwa von 1975 bis 1999, ist die Trendfolgestrategie einem Buy-and-hold-Portfolio unterlegen gemessen an der absoluten Rendite. Seine beste Zeit hatte das Trendfolgekonzept im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends als die Börsen gleich zwei Mal in die Knie gingen mit Verlusten von mehr als 50 Prozent. Seitdem werden Trendfolgestrategien immer beliebter.

Wahl des Betrachtungszeitraumes beeinflusst das Ergebnis

Es mag Zufall sein, dass Mebane Fabers Test ausgerechnet direkt vor einem Börsencrash im Jahr 19973 beginnt und drei Jahre nach einem Crash endet. Würde seine Untersuchung nur zwei Jahre später, im Jahr 1975, starten, wäre die gemessene absolute Rendite der Trendfolgestrategie niedriger als die des Buy-and-hold-Portfolios.

Wir verdeutlichen das am Beispiel unserer Trendfolgestrategie mit acht Anlageklassen (SMA 200 Tage / monatlich). Die folgende Tabelle zeigt die Resultate für verschiedene Anlageperioden.

Ab 2009 war die Trendfolgestrategie deutlich unterlegen

Quellen: Morningstar Direct, Portfolio Visualizer, Fairvalue, Stand: August 2019.

Der Finanzmarktforscher Valeriy Zakamulin ist nicht sonderlich euphorisch, was die Zukunft des Market Timings auf Basis gleitender Durchschnitte betrifft. Es sei ziemlich wahrscheinlich, dass Anleger, die diese Strategie verfolgen, erneut 20 Jahre und mehr warten müssen, bis sie wieder so hohe Renditen wie im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends erzielen, schreibt er in einer Studie. Laut den Simulationen, die Zakamulin durchführte, werden Anleger mit der Trendfolgestrategie im Durchschnitt Renditen erzielen, die bei Aktienindizes 20 bis 26 Prozent unter den Erträgen einer Buy-and-hold-Strategie liegen. Im Vergleich zu letzteren sei das Risiko aber um rund 30 Prozent geringer. Unter dem Strich führe das zu leicht besseren relativen Renditen gemessen an der Sharpe Ratio. „Auf lange Sicht sind niedrigere Renditen immer der Preis für ein geringeres Risiko“, resümiert Zakamulin.

Warum schneidet die Trendfolgestrategie in Aufschwüngen vergleichsweise schlecht ab?

Market Timing mit einem gleitenden Durchschnitt funktioniert am besten, wenn sich viele lang anhaltenden Trends in dem jeweiligen Markt abwechseln. Solange die Kurse im Aufschwung über der 200-Tage-Linie notieren, ohne sie zu reißen, hält die Trendfolgestrategie mit der Buy-and-hold-Strategie mit. Folgt dann ein lang anhaltender Abschwung, wechselt die Trendfolgestrategie in Cash und erzielt so eine höhere Rendite bei gleichzeitig niedrigerem Risiko. Soweit die Theorie.

In der Realität sind Trends aber meist kurzlebig. Wenn die Trendfolgestrategie gerade einen Ausstieg aus einem Markt signalisiert hat, dreht der oft bereits wieder nach oben. Deswegen ist die Market-Timing-Strategie regelmäßig falsch positioniert. Die Anzahl der Verlusttrades ist höher als die der Gewinntrades, wie die Tabelle für den Anlagezeitraum von Januar 2002 bis November 2017 zeigt. Ein Verlusttrade ist eine Phase, in der die Trendfolgestrategie Cash hält und die Buy-and-hold-Strategie eine höhere Rendite erzielt. Umgekehrt haben wir Gewinntrades definiert.

Anzahl der Gewinn- und Verlusttrades

Quellen: Morningstar Direct, Portfolio Visualizer, Fairvalue, Stand: August 2019.

Bei den wenigen Gewinntrades muss die Trendfolgestrategie hohe Renditevorsprünge erzielen, um insgesamt mit einer Buy-and-hold-Strategie mithalten oder sie schlagen zu können.

Trendfolgestrategien funktionieren nicht bei jeder Anlageklasse

Fairvalue hat auch untersucht, wie die monatlich gehandelte Trendfolgestrategie auf Basis der 200-Tage-Linie bei unterschiedlichen Anlageklassen funktioniert. Die Ergebnisse enthält die nächste Tabelle (B&H = Buy-and-hold-Strategie, SMA = Trendfolgestrategie).

Bei Gold war das Trendfolgekonzept ziemlich erfolglos

Quellen: Morningstar Direct, Portfolio Visualizer, Fairvalue, Stand: August 2019.

Bemerkenswert ist das gute Abschneiden von Immobilienaktien aus der Eurozone, obwohl bei dieser Anlageklasse nur drei Gewinntrades elf Verlusttrades gegenüberstanden. Dass die absolute Rendite dennoch deutlich höher war als die der Buy-and-hold-Strategie, liegt an den herben, zeitweisen Verlusten von Immobilienaktien. Während der Finanzkrise 2008 verloren sie rund 75 Prozent ihres Wertes. Da es nicht sehr wahrscheinlich ist, dass sich ein derartiges Ereignis wiederholt, dürfte dieser Sektor für eine Trendfolgestrategie eher ungeeignet sein.

Am besten funktionierte Market Timing bei globalen Industrieländeraktien gemessen am MSCI World Index. Mit Abstand am schlechtesten schnitt die Trendfolgestrategie mit Gold ab. Es ist die einzige Anlageklasse bei der selbst die Sharpe Ratio niedriger war im Vergleich zu einer Buy-and-hold-Strategie.

Produktkosten, Transaktionskosten und Steuern

Nun haben unsere Tests und auch die Untersuchung von Mebane Faber einen Schönheitsfehler. Weder er noch wir haben Produktkosten, Transaktionskosten und Steuern bei unseren Berechnungen berücksichtigt. Faber steht auf dem Standpunkt, dass man die Transaktionskosten vernachlässigen könne, weil der Kauf und Verkauf von börsengehandelten Indexfonds (ETF) heute nicht mehr viel koste. Das ist allerdings nur dann richtig, falls Anleger bei einem günstigen Online-Broker wie dem Smartbroker* selbstständig ihre Wertpapierorders aufgeben und ETF handeln, die liquide Anlageklassen abbilden. Bei einer Filialbank dagegen würden die Handelskosten spürbar ins Gewicht fallen. Mehr zu den Transaktionskosten von Wertpapieren lesen Sie in unserem Beitrag Depot-Vergleich.

Während sich beim Wertpapierhandel die Kosten einfach mit einem Wechsel des Depot-Anbieters senken lassen, kommen Anleger an der Steuer nicht vorbei. Der Fiskus hält jedes Mal die Hand auf, wenn Investoren mit dem Verkauf von Wertpapieren einen Gewinn erzielen. Abgeltungssteuer und Solidaritätszuschlag summieren sich auf 26,375 Prozent, die vom Ertrag abgehen. Wer Kirchensteuer zahlt, hat noch höhere Abzüge.

Natürlich müssen Kapitalerträge irgendwann immer versteuert werden. Doch der Zeitpunkt spielt bei der Rendite eine Rolle. Anleger, die Kapitalertragssteuer im Wesentlichen erst am Ende der Anlageperiode bezahlen wie bei einer Buy-and-hold-Strategie, erzielen einen höheren Zinseszinseffekt. Werden dagegen wegen häufigen Umschichtungen immer wieder Steuern während der Anlagephase abgezogen, schmilzt der Zinseszinseffekt dahin.

Schätzung des negativen Steuereffekts bei Trendfolgestrategien

Es ist ein komplexes Unterfangen den negativen Steuereffekt für eine Trendfolgestrategie zu berechnen. Hinzu kommt, dass die tatsächliche steuerliche Belastung in vielen Fällen individuell ist. Wir haben dennoch eine grobe Schätzung am Beispiel eines ETF auf Industrieländeraktien (MSCI World) berechnet. Dabei haben wir angenommen, dass die Depotbank bei jedem realisierten Gewinn 26,375 Prozent Steuern abzieht. Vorabpauschalen und eventuelle Freibeträge wurden ignoriert. Verluste haben wir mit späteren Gewinnen verrechnet und zudem für jeden Kauf und Verkauf Kosten in Höhe von 10 Euro abgezogen. Dabei haben wir angenommen, dass bei Verkaufssignalen in Tagesgeld umgeschichtet wird, sodass nur einmal Transaktionskosten anfallen.

Der nachteilige Steuereffekt der Trendfolgestrategie ergibt sich aus dem hypothetischen Vergleich mit der steuerlichen Belastung, die entstanden wäre, wenn der Gesamtgewinn erst am Ende des Anlagezeitraumes versteuert worden wäre. Nach dieser Berechnung beträgt die Renditeeinbuße wegen vorgezogener Steuerzahlungen und Transaktionskosten im Schnitt jährlich 0,8 Prozentpunkte.

Grundsätzlich hat die Verteilung der Gewinne Einfluss auf das Ergebnis. Je früher während der Anlageperiode Steuern abgezogen werden, desto schlechter wird das Ergebnis. Zwar hatten die acht Anlageklassen unterschiedliche Kursverläufe. Doch im Großen und Ganzen ist die Schätzung des negativen Steuereffekts unserer Ansicht nach auf das Gesamtportfolio übertragbar.

Unterstellt man einen Abschlag von 0,8 Prozentpunkten auf die jährliche Durchschnittsrendite der Trendfolgestrategie, hat keines der Market-Timing-Konzepte über den gesamten Untersuchungszeitraum besser abgeschnitten als die Buy-and-hold-Strategie.

Fairvalue-Empfehlung

Eine Trendfolgestrategie mit gleitenden Durchschnitten ist kein Dukatenesel. Höhere Renditen als mit einer Buy-and-hold-Strategie sind nicht sehr wahrscheinlich. Sie waren in der Vergangenheit nur in wenigen Anlagezeiträumen möglich, in denen es große Börsencrashs gab.

Insofern lässt sich die These der Neuen Zürcher Zeitung, Kunden würden Milliarden Franken verlieren, weil ihre Vermögensverwalter Trendfolgestrategien ablehnen, nicht halten. Ebenso wenig ist das Trendfolgekonzept eine „überlegene ETF-Strategie“, wie Focus Online behauptet.

Gemessen an der Rendite im Verhältnis zum Risiko (Sharpe Ratio) lässt sich mit Market Timing aber selbst noch ein sehr gut diversifiziertes ETF-Portfolio verbessern. Besonders bei länger anhaltenden Kursstürzen zeigte die Trendfolgestrategie ihre Stärken, was gerade ängstlichen Anlegern entgegenkommen dürfte. Eine Buy-and-hold-Strategie ist deutlich riskanter.

Wer Trendfolgestrategien als wirksames Risikomanagement betrachtet und dafür bereit ist, Abschläge bei der Rendite hinzunehmen, kann dieses Konzept durchaus in Erwägung ziehen. Ideal ist es geradezu für Anleger, die nicht die Nerven haben, auch im Crash an einer Buy-and-hold-Strategie festzuhalten.

Allerdings dürfte es an der Psyche vieler Anleger nagen, falls sie mit einer Trendfolgestrategie jahrelang schlechter als der Markt abschneiden und der Abstand von Jahr zu Jahr größer wird. Auch das hält nicht jeder aus.

Der Autor


Markus Neumann ist Finanzjournalist, Herausgeber des Online-Anlegermagazins Fairvalue und Sachbuchautor. Zuletzt erschien von ihm „Das ETF-Portfolio – wie Sie ein fast unschlagbares Depot zusammenstellen und managen“. 2020 war er für den Deutschen Journalistenpreis in der Kategorie Vermögensverwaltung nominiert. Folgen Sie ihm auf Twitter.

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