Edelmetalle

Brauchen wir noch Gold, Schatz?

Von Markus Neumann

Helmut Kohl inspiziert die Goldreserven der Bundesbank

Als Bundeskanzler ließ es sich Helmut Kohl (CDU) nicht nehmen, die Goldreserven der Bundesbank persönlich in Augenschein zu nehmen.

Gold eignet sich ausgezeichnet zur Diversifikation von Portfolios und brachte in der Vergangenheit eine akzeptable Rendite. Andere vorteilhafte Eigenschaften, die dem Edelmetall regelmäßig nachgesagt werden, sind mehr Dichtung als Wahrheit, zeigen Datenanalysen. Das gilt etwa für den vermeintlichen Schutz vor Inflation.

Gold ist weltweit einer der gefragtesten Sachwerte. Es wird seit Jahrtausenden gefördert, diente über Jahrhunderte als Zahlungsmittel und ist bis heute der bevorzugte Rohstoff für Schmuck. Zentralbanken von Staaten halten nach wie vor zum Teil große Goldbestände als Währungsreserve. Anders als Papiergeld ist Gold nicht beliebig vermehrbar. Es muss erst mühsam der Erde abgerungen werden. Die Förderung ist aufwendig und teuer.

Wer in Gold investiert, setzt allein auf die Preisentwicklung. Das Edelmetall wirft weder Zinsen wie Anleihen noch Dividenden wie viele Aktien ab. Im Gegenteil: Die Aufbewahrung von Goldbarren, etwa in einem Bankschließfach, kostet jährlich Geld. Bliebe der Goldpreis konstant, würden diese Kosten das Vermögen von Jahr zu Jahr schmälern. Auch Wechselkursschwankungen beeinflussen die Renditen der deutschen Investoren. Gold wird in US-Dollar gehandelt. Sinkt der Wert der amerikanischen Währung, sinkt der Goldkurs in Euro.

Gold wird in Medienberichten regelmäßig als „sicherer Hafen“ bezeichnet. Tatsächlich ist das Edelmetall aber eine riskante Anlage, deren Wert in der Vergangenheit stärker schwankte als der des Weltaktienmarktes gemessen am MSCI World Index. Anleger, die in Gold investierten, brauchten sehr gute Nerven.

Dafür waren die Renditen aber auch nicht schlecht. Von 1970 bis Ende Mai 2020 brachte Gold in Euro gerechnet im Schnitt einen nominalen Wertzuwachs von 6,45 Prozent pro Jahr – gut 0,5 Prozentpunkte weniger als der Weltaktienmarkt. Nach Abzug der Inflation blieben jährlich noch 3,8 Prozent.

Nominale und reale Goldpreisentwicklung in Euro (zu Preisen von 1970)

Gold: Nominale und reale Preisentwicklung in Euro

Quellen: Bundesbank, Fairvalue-Berechnungen, Stand: Juni 2020.

Allerdings waren die Renditen sehr ungleich verteilt. In den 1970er-Jahren waren sie enorm. In den darauffolgenden zwei Jahrzehnten machten Anleger dagegen Verluste. Auffällig ist: Wenn Gold gut lief, schnitt der Weltaktienmarkt relativ schlecht ab und umgekehrt.

Goldrenditen über fünf Jahrzehnte im Vergleich zum Weltaktienmarkt (in Euro)

Quellen: Bundesbank, MSCI, Fairvalue-Berechnungen, Stand: Juni 2020.

Der nominale Wertverlust in den 1980er- und 1990er-Jahren summierte sich auf fast 70 Prozent. Anleger, die während des Preishochs Anfang 1980 eingestiegen waren, mussten sich 29 Jahre gedulden, bis sie wieder bei Plusminusnull angelangt waren. Die Inflation ist bei dieser Rechnung noch nicht berücksichtigt.

Die größten Goldcrashs seit 1970 (in Euro)

Quellen: Bundesbank, Fairvalue-Berechnungen, Stand: Juni 2020.

Gold im Portfolio

Gold ist in erster Linie wegen seiner Diversifikationseigenschaften attraktiv. Die Preise des Edelmetalls stiegen zeitweise an, wenn die Aktienkurse fielen. Die Korrelation zum Weltaktienmarkt war insgesamt gering, ebenso zu anderen Anlageklassen wie Anleihen.

Korrelation von Gold mit dem Weltaktienmarkt (in Euro)

Gold: Das Edelmetall war nur gering mit dem Weltaktienmarkt korrelliert

Quellen: Bundesbank, MSCI, Fairvalue-Berechnungen, Stand: Juni 2020.

Bei den neun schwersten Börsencrashs zwischen 1970 und Mai 2020 machte das Edelmetall eine gute Figur. Entweder stiegen die Notierungen an oder sie sackten weit weniger ab als die des Weltaktienmarktes.

Der Goldpreis in Euro war während Börsencrashs vergleichsweise stabil oder stieg sogar an

Goldpreisentwicklung während Börsencrashs

Quellen: Bundesbank, MSCI, Fairvalue-Berechnungen, Stand: Juni 2020.

Gold ist auch deswegen ein sehr guter Baustein für gemischte Anlageportfolios. Was das Edelmetall konkret brachte, zeigt beispielhaft ein Portfolio, das zu 70 Prozent aus einem Investment in den MSCI World bestand und zu 30 Prozent aus Gold, im Vergleich zum Weltaktienmarkt. Die Wertentwicklung bezieht sich wieder auf den Zeitraum von 1970 bis Mai 2020.

Portfolio mit 30 Prozent Gold im Vergleich zum Weltaktienmarkt (in Euro)

Gold im Portfolio: Das Edelmetall dämpfte die Wertschwankungen eines Aktienportfolios deutlich

Quellen: Bundesbank, MSCI, Fairvalue-Berechnungen, Stand: Juni 2020.

Quellen: Bundesbank, MSCI, Fairvalue-Berechnungen, Stand: Juni 2020.

Die Risikokennzahlen des gemischten Portfolios sind niedriger, das Rendite-Risiko-Verhältnis (Sharpe Ratio) besser. Dass das gemischte Portfolio auch eine höhere Rendite brachte, als der Weltaktienmarkt, ist auf das jährliche Rebalancing des Portfolios zurückzuführen. Alle zwölf Monate haben wir die Anteile von Aktien und Gold auf ihre Startgewichtung zurückgesetzt. Das heißt, es wurden jeweils Anteile von der Anlage verkauft, die besser gelaufen war, und für den Erlös Anteile der anderen Anlage gekauft.

Weitere Backtests, die die Wirkung von Gold in einem Portfolio zeigen, finden Sie in dem Ratgeber ETF-Portfolio.

Gold – Mythen und Fakten

Vermögensverwalter, Banken, Goldhändler und Untergangspropheten sprechen dem Edelmetall weitere vorteilhafte Eigenschaften zu:

  • Gold soll das Vermögen vor Inflation schützen.
  • Sein Marktpreis werde von niedrigen Zinsen in die Höhe getrieben. (Demnach sei das Umfeld für eine positive Goldpreisentwicklung weiterhin ideal.)
  • Das Edelmetall sei eine Absicherung gegen den Wertverfall der Weltreservewährung US-Dollar. Ein schwacher US-Dollar beflügele die Goldnotierungen.

Diese Aussagen werden Anlegern seit Jahren in der Berichterstattung über Gold serviert. Was davon tatsächlich zutreffend ist und was nicht, können die Leser nicht beurteilen. Denn die Protagonisten dieser Geschichten verzichten in der Regel darauf, ihre Behauptungen mit Fakten zu belegen.

Fairvalue hat die Eigenschaften von Gold untersucht. Die Daten stützen die Aussagen der Goldexperten-Darsteller nicht. Vielmehr stoßen die Analysen die vermeintliche Superanlage Gold von ihrem Thron und zeigen das Edelmetall als das, was es wirklich ist: ein riskantes Investment, das vielleicht eine positive Rendite liefert – vielleicht aber auch nicht.

Die postulierten linearen Zusammenhänge zwischen Gold und anderen Faktoren sind kaum messbar. Sie sind die Ausgeburt von Menschen, die ein Interesse daran haben, dass Gold in einem besonders positiven Licht erscheint – beispielsweise, weil sie Geld mit dem Verkauf des Edelmetalls verdienen.

Gold ist keine Absicherung gegen Inflation

Zunächst müssen wir abstecken, was unter einer wirksamen Absicherung zu verstehen ist: Streng genommen sind das nur Investments, deren Kursbewegungen sich in Abhängigkeit von einer anderen Anlage zuverlässig vorhersagen lassen. Beispielsweise wird der Wert einer Put-Option auf den Dax immer dann steigen, wenn der Index fällt. Ein Put ist deswegen eine funktionierende Absicherung gegen Kursverluste, die natürlich Geld kostet.

Wäre Gold ein Inflationsschutz, müsste das Edelmetall höhere Renditen liefern, wenn die Inflation hoch ist. Der höhere Kursgewinn des Goldes kompensiert den Anleger für den Kaufkraftverlust.

Werfen wir zunächst einen Blick auf die Renditen von Gold und die Inflationsraten. In den 1980er-und den 1990er-Jahren waren die Renditen negativ, obwohl die Inflation positiv und zum Teil sehr hoch war – von Inflationsschutz keine Spur.

Goldrenditen (in Euro) und durchschnittliche Inflationsraten im Vergleich

Quellen: Bundesbank, OECD, Fairvalue-Berechnungen, Stand: Juni 2020.

Die nächste Tabelle zeigt, wie sich der Goldpreis in Hoch- und in Niedriginflationsphasen entwickelte. Zwar ist Deutschland ein wichtiger Absatzmarkt für das Edelmetall, doch es ist wenig plausibel, dass allein die Teuerung hierzulande den Preis bewegt. Gold ist eine Sachwertanlage, die international gehandelt und nachgefragt wird. Insofern haben wir die Inflationsrate der OECD-Länder für die Analyse zugrunde gelegt. Dieser Datensatz reicht von 1971 bis 2018.

Annualiserte Goldrenditen während Hoch- und Niedrizinsphasen (in Euro)

Quellen: Bundesbank, OECD, Fairvalue-Berechnungen, Stand: Juni 2020.

Auch bei diesem einfachen Vergleich zeigt sich, dass Gold keinen zuverlässigen Inflationsschutz bietet. In zwei Phasen, in den die Teuerung über 10 Prozent betrug, lagen die nominalen, annualisierten Renditen weit unter der Inflationsrate. Die reale Preisentwicklung war negativ. Insgesamt ist nicht zu erkennen, dass hohen Inflationsraten regelmäßig hohe Preissteigerungen bei Gold gegenüberstanden. Ebenso wenig waren die Renditen durch die Bank niedriger, wenn die Verbraucherpreise nur wenig anstiegen.

Regressionsanalyse entzaubert Gold

Dieser Befund zeigt sich auch bei der Regressionsanalyse. Sie liefert statistische Hinweise, ob ein gerichteter linearer Zusammenhang zwischen zwei Variablen besteht. Daraus lässt sich ablesen, wie viel die eine Variable von den Variationen der anderen erklärt. Das gibt das sogenannte Bestimmtheitsmaß (R2) an.

Jeder Punkt in dem folgenden Diagramm markiert die jährliche Inflationsrate der OECD-Länder und die jährliche Rendite von Gold in einem bestimmten Monat zwischen 1971 und 2018. Insgesamt sind es 576 Wertepaare. Je näher die Punkte an der Geraden liegen, desto höher ist der Anteil an den Renditeschwankungen von Gold, den die Inflationsrate erklärt.

Die Inflationsrate hat so gut wie keinen Einfluss auf den Goldpreis

Goldrendite versus Inflationsrate: Der Einfluss der Teuerung auf das Edelemetall war gering

Quellen: Bundesbank, OECD, Fairvalue-Berechnungen, Stand: Juni 2020.

Gerundet erklärt die Teuerung nur 7 Prozent der Goldrendite. Demnach bot Gold über den gesamten Zeitraum keinen Inflationsschutz. In den 1970er-Jahren, als die Inflation von 5 auf mehr als 15 Prozent anstieg, war der Zusammenhang zwischen Inflationsrate und Goldpreisentwicklung zwar stärker. Die Korrelation betrug 0,48 und das Bestimmtheitsmaß 20 Prozent. Doch letztlich waren die Goldpreisschwankungen vor allem auf andere Faktoren zurückzuführen. Beispielsweise zogen die Goldnotierungen bereits zehn Monate bevor die Inflation zu steigen begann kräftig an.

In den 1980er-Jahren beeinflusste die Inflation den Goldpreis am stärksten

Ironischerweise war die positive Beziehung zwischen Inflation und Gold in den 1980er-Jahren am ausgeprägtesten. In diesem Jahrzehnt war die Hälfte der Goldpreisbewegungen auf Änderungen der Inflationsrate zurückzuführen. Nur die fiel von 14 auf 6 Prozent – ein Rückgang von 8 Prozentpunkten oder 56 Prozent. Der Goldpreis gab um 24 Prozent nach.

In den 1990er-Jahren drehte das Verhältnis von Inflation und Gold ins Negative. Tendenziell fiel der Goldpreis, wenn die Teuerung zunahm. Allerdings war auch dieser Zusammenhang mehr als schwach. In den darauffolgenden beiden Jahrzehnten hatten die Verbraucherpreise überhaupt keinen statistisch nachweisbaren Einfluss auf Gold. (Die Korrelation nahe null signalisiert zwar eine Unabhängigkeit der beiden Variablen. Doch dieser Befund ist statistisch nicht signifikant, also eher zufällig).

Wir haben dieselben Analysen auch mit Gold in US-Dollar, der internationalen Handelswährung des Edelmetalls, und mit der Inflationsrate für Deutschland durchgeführt. Die Ergebnisse blieben im Kern immer dieselben. Ebenso wenig hatte die Wachstumsrate der Geldmenge M3, ein Inflationsindikator, einen nennenswerten Einfluss auf die Goldpreisentwicklung.

Unter dem Strich lässt sich festhalten: Gold ist keine verlässliche Absicherung gegen Inflation. Über einen Zeitraum von 50 Jahren hat das Edelmetall zwar den deutschen Verbraucherpreisindex geschlagen. Doch die Entwicklung der Rendite ist im Wesentlichen nicht auf Veränderungen der Inflationsrate zurückzuführen, sondern auf andere Faktoren.

Treiben niedrige Zinsen den Goldpreis nach oben?

Neben dem fast schon obligatorischen (aber falschen) Hinweis auf die Inflationsschutzfunktion von Gold warten viele Medienberichte mit einem weiteren vermeintlichen Pluspunkt für das Edelmetall auf, der es im Umfeld von negativen Zinsen attraktiv erscheinen lassen soll: Niedrige Zinsen würden den Goldpreis beflügeln, heißt es unisono.

Die Begründung dafür klingt zunächst nicht unplausibel. Gold selbst wirft weder Zinsen noch Dividenden ab. Anleger können mit dem Edelmetall nur Geld verdienen, wenn dessen Preis steigt. Bei hohen Zinsen sollen Investoren Anleihen lukrativer erscheinen, was die Goldpreisentwicklung dämpfe. Bei niedrigen oder gar negativen Zinsen falle der Preis für die Goldhaltung (der entgangene Zins) dagegen weg. Das führe dazu, dass Investoren verstärkt in die Sachwertanlage investieren, heißt es.

Gold ist kein Ersatz für Staatsanleihen

Auch diese Geschichte gehört ins Reich der Mythen. Zunächst einmal: Gold ist keine Alternative zu Staatsanleihen – und umgekehrt, ebenso wenig wie Dividendenaktien ein Ersatz für sichere Wertpapiere mit fester Verzinsung sind. Gold ist ein riskantes Investment wie Aktien. Euro-Staatsanleihen von Ländern mit guter Bonität sind dagegen eine sichere Anlage.

Beide Anlageklassen erfüllen in einem Portfolio unterschiedliche Funktionen. Anleger, die Staatsanleihen gegen Gold austauschen, sind auf dem falschen Dampfer. Solche Menschen gibt es natürlich. Aber sie werden kaum die Mehrheit der Anleger repräsentieren.

Zweitens: Sowohl eine steigende Inflation als auch niedrige Zinsen als Treiber für den Goldpreis zu propagieren, ist ein Widerspruch in sich. Steigt die Inflation, steigen meistens auch die Zinsen. Dem Inflationsschutz-Argument zufolge steigt der Goldpreis demnach bei hohen Zinsen. Laut dem Zins-Argument sollen aber sinkende Zinsen die Notierungen beflügeln.

Dieser Widerspruch ist in vielen Medienberichten zu finden. Er löst sich auf, wenn der Realzins betrachtet wird. Das ist der um die Inflation bereinigte Zins. Er sinkt, wenn die Inflation steigt – und alle anderen Faktoren unverändert bleiben.

Inflationsindexierte Anleihen als Maß für den Realzins

Die Entwicklung des Realzinses ist nicht beobachtbar. Während die künftige Rendite beim Kauf einer Anleihe feststeht, wenn sie bis zur Fälligkeit gehalten wird, ist die künftige Inflation unbekannt. Der tatsächliche Realzins lässt sich deswegen immer erst im Nachhinein berechnen. Ersatzweise wird stattdessen auf die Renditen von inflationsgeschützten Staatsanleihen zurückgegriffen. Sie repräsentieren den erwarteten Realzins. Warum das so ist, lesen Sie in dem Artikel über inflationsindexierte Bundesanleihen.

Um den negativen Zusammenhang zwischen dem Realzins und dem Goldpreis zu belegen, werden beide Zeitreihen häufig in einem Chart abgebildet. Der sieht dann zum Beispiel so aus wie das folgende Diagramm. Es zeigt den Goldpreis in US-Dollar und inflationsgeschützte US-amerikanische Staatsanleihen, sogenannte TIPS, mit einer Laufzeit von 10 Jahren von Anfang 2003 bis Ende 2020.

Ausgeprägte negative Beziehung: Goldpreis und Rendite von 10jährigen TIPS (in US-Dollar)

Gold: Der negative Zusammenhang mit den Realzinsen ist eine Illusion

Quellen: Fred, Fairvalue, Stand: Januar 2021.

In dem Diagramm sieht es so aus, als ob der Goldpreis steigt, wenn der Realzins fällt. Die negative Korrelation ist fast perfekt. Sie beträgt -0,9, das Bestimmtheitsmaß 0,8. Demnach lässt sich 80 Prozent des Goldpreises mit der Höhe der Realzinsen erklären. Das ist gewaltig – und wirkt sehr überzeugend, ist aber letztlich nur eine Illusion.

Denn Diagramm und Regressionsanalyse zeigen nur, dass der Goldpreis hoch war, wenn der Realzins niedrig war – und umgekehrt. Über die Rendite, die ein Investor mit Gold erzielte, wenn die Realzinsen sanken, sagen die Daten und deren Analyse nichts aus. Darüber gibt nur eine Untersuchung der relativen Veränderungen des Realzinses und des Goldpreises Auskunft. Untersucht man diese beiden Variablen, sieht das Ergebnis ganz anders aus: Zwar erzielten Goldanleger tendenziell eine positive Rendite, wenn der Realzins fiel. Doch dieser Zusammenhang war schwach. Die Korrelation beträgt -0,27 und das Bestimmtheitsmaß nur 0,07.

Der Zusammenhang zwischen Goldrenditen und Veränderungen des Realzinses ist nur schwach

Quellen: Fred, Fairvalue-Berechnungen, Stand: Januar 2021.

Zwischen der Veränderung der Realzinsen in Deutschland und der monatlichen Goldrendite in Euro ist im selben Untersuchungszeitraum statistisch überhaupt kein Zusammenhang nachweisbar. Die Ergebnisse, die eine Unabhängigkeit der beiden Variablen zeigen, sind nicht signifikant.

Weitere Daten sprechen gegen sinkende Zinsen als Treiber der Goldrendite

Die Daten der amerikanischen TIPS reichen nur bis 2003 zurück. Nach Berechnungen der Bundesbank sinken die Realzinsen in den USA und in Deutschland bereits seit Mitte der 1980er-Jahre. In den 1980er- und 1990er-Jahren war die Rendite von Gold aber negativ. Auch das spricht gegen einen stabilen negativen Zusammenhang zwischen Realzinsentwicklung und Goldrendite.

Doch selbst wenn Gold immer positive Renditen abwerfen würde, wenn der Realzins sinkt, was würde Anlegern diese Erkenntnis bringen? Gar nichts. Denn wie sich die künftigen Realzinsen entwickeln ist ebenso unbekannt wie der künftige Goldpreis. Zinsprognosen sind nicht treffsicherer als Goldpreisprognosen. Deswegen wäre eine hohe Korrelation von Realzinsentwicklung und Goldrendite für Investoren ohnehin nicht ausbeutbar.

Unter dem Strich bleibt festzuhalten: Die statistischen Taschenspielertricks mit Goldpreis und Realzins dienen allein dazu, Anlegern das Edelmetall schmackhaft zu machen. In Wahrheit ist der Zusammenhang schwach.

Ist Gold eine Absicherung gegen den Wertverfall von Währungen?

Das wird zwar regelmäßig behauptet, doch die Berichterstattung darüber ist undifferenziert und zum Teil manipulativ. Anleger müssen zwischen dem Innen- und dem Außenwert einer Währung unterscheiden. Der Innenwert wird an der Kaufkraft gemessen, die mit der Inflationsrate sinkt oder steigt.

Ob Gold gegen den Verfall des Innenwertes einer Währung schützt, ist also dieselbe Frage wie die nach dem Inflationsschutz, nur anders formuliert. Dass das Edelmetall aber keine Absicherung gegen Inflation ist, haben wir bereits belegt.

Exkurs: Manipulative Vergleiche

Da Geld ein nominal fixiertes Zahlungsmittel ist und moderat steigende Preise (Inflation) eine notwendige Voraussetzung für stabile marktwirtschaftliche Volswirtschaften sind, kann die Kaufkraft einer Währung mit der Zeit nur sinken. Das ist im alltäglichen Leben unproblematisch, solange auch Löhne, Renten und Kapitaleinkommen steigen. Dadurch wird der Kaufkraftverlust ausgeglichen.

Wenn der Preis von Gold im Trend steigt, dann kann der Wert des Euro, falls er an dieser Anlage gemessen wird, logischerweise nur sinken. Anleger können also für 100 Euro im Zeitablauf immer weniger Gold kaufen, weil dessen Preis langfristig nach oben kletterte.

Die Existenz von Inflation ist kein Beleg für ein marodes Geldsystem

Diese Trivialität wird von manchen Vermögensverwaltern, Untergangspropheten und Medien als Beleg für den Wertverfall des Euro angeführt, der wiederum als Beweis für die angeblich marode Gemeinschaftswährung und die Vorteilhaftigkeit von Gold dienen soll.

Solange es Inflation gibt (die Europäische Zentralbank strebt knapp 2 Prozent an) kann man einen derartigen Zusammenhang mit fast jeder beliebigen Ware, Dienstleistung oder Anlageklasse zeigen. Solche Vergleiche belegen aber einfach nur, dass Verbraucher- oder Vermögenspreisinflation existiert. Sie sind kein Anhaltspunkt für ein kaputtes Geldsystem – und kein Argument für ein Goldinvestment.

Der Außenwert von Währungen

Ein anderes Feld ist der Außenwert einer Währung. Der wird immer im Verhältnis zu einer anderen Währung gemessen, etwa der US-Dollar im Verhältnis zum Euro. Gold selbst war Jahrhunderte lang Zahlungsmittel und Weltwährung. Im 19. Jahrhundert wurden Papierwährungen an Gold gekoppelt. Ein fixierter Geldbetrag entsprach einer festgelegten Menge Gold.

Dieser sogenannte Goldstandard wurde nach dem Zweiten Weltkrieg im Rahmen des sogenannten Bretton-Woods-Systems modifiziert. Der US-Dollar übernahm die Rolle der Weltleitwährung und Währungsreserve und war seinerseits an Gold gebunden. Der Goldpreis wurde auf 35 US-Dollar pro Feinunze festgeschrieben. Zentralbanken, die aus Handelsüberschüssen US-Dollar anhäuften, konnte diese bei der US-Notenbank Fed zu dem festgelegten Kurs in Gold umtauschen.

Gold als Schattenwährung

Weil die USA über ihre Verhältnisse lebten und zu viel US-Dollar in den Umlauf brachten, brach das System 1971 auseinander. Gold ist seitdem eigentlich nur noch eine Geldanlage, dient aber vielen Zentralbanken weiterhin als Währungsreserve. Das macht Gold zu einer Art Schattenwährung, deren Wert steigen soll, wenn das Vertrauen in die Weltleit- und Reservewährung US-Dollar sinkt. Schwindendes Vertrauen, so die Annahme, spiegelt sich in einem sinkenden Außenwert wider.

Gold kann nur vor dem Verfall der Weltleitwährung schützten, falls dessen Wert in US-Dollar steigt, wenn der Außenwert der Papierwährung fällt. Das war in den vergangenen 50 Jahren zwar tendenziell der Fall. Doch die lineare negative Beziehung von US-Dollar und Gold war nur schwach. Bewegungen des US-Dollar-Kurses gemessen in D-Mark und Euro hatten nur einen geringen Einfluss auf den Goldpreis.

Schwacher negativer Zusammenhang: Schwankungen des US-Dollar erklären nur wenig von der Goldpreisentwicklung

Gold versus US-Dollar: Die Leitwährung hat nur wenig Einfluss auf den Goldpreis

Quellen: Bundesbank, Fairvalue-Berechnungen, Stand: Juni 2020.

In den 1970er- und 1980er-Jahren war der Zusammenhang zwischen dem Außenwert des US-Dollar und dem Goldpreis zwar deutlich stärker. Aber auch damals kauften Zentralbanken und Anleger nicht tonnenweise Gold, wenn der Außenwert des US-Dollar fiel. Demnach ist das Edelmetall auch keine Absicherung gegen einen Verfall des Außenwertes der Weltleitwährung.

Etwas anders liegen die Dinge in einem dritten Szenario: Papierwährungen können gänzlich zusammenbrechen und durch neue Währungen ersetzt werden. Gold dagegen verschwindet als realer Sachwert nicht einfach von der Bildfläche. Wie dessen Wert beispielsweise nach einer Währungsreform taxiert werden würde, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Das hängt allein von Angebot und Nachfrage ab. Solange viele Menschen Gold einen Wert beimessen, kann dessen Preis jedenfalls nicht auf null sinken.

Fairvalue-Empfehlungen

Von allen untersuchten Anlageklassen hat Gold die besten Diversifikationseigenschaften. Für Anleger, die Gold in ihrem ETF-Portfolio einsetzen möchten, gibt es grundsätzlich zwei Wege, auf denen sie in das gelbe Edelmetall investieren können. Sie können physisches Gold in Form von Barren und Münzen kaufen oder sogenannte Exchange Traded Commodities (ETC), die den Goldpreis abbilden. ETC sind börsengehandelte Wertpapiere, die ETF ähneln. Erstere sind aber Schuldverschreibungen. Der Käufer eines ETC gibt dem Emittenten einen Kredit. Das bedeutet, dass ein sogenanntes Emittentenrisiko besteht. Geht der Herausgeber des Wertpapiers pleite, kann das zu einem Totalverlust führen.

Das gilt auch, wenn ETC physisch besichert sind. Bei diesen Varianten kaufen die Herausgeber Goldbarren im Wert der ausgegebenen Wertpapiere. Das Edelmetall wird von Tochtergesellschaften gehalten, die rechtlich von den anderen Geschäftsfeldern des Unternehmens getrennt sind. Das soll das Anlegergold vor einer Insolvenz der Muttergesellschaft schützen. Doch auch bei dieser Konstruktion gibt es Fallstricke. Dass im Ernstfall tatsächlich genügend Gold zur Verfügung steht, um die Ansprüche der Investoren zu decken, ist ungewiss.

Nebenkosten von physischem Gold

Der direkte Erwerb von Goldbarren ist etwas aufwendiger und – abhängig von der Menge – häufig teurer als der Kauf von physisch gedeckten ETC, die Anleger bequem an der Börse kaufen und verkaufen können.

Die Kosten für Kauf und Lagerung von physischem Gold hängen von verschiedenen Faktoren ab: Von der Höhe der Investitionssumme, von der Haltedauer und vom Handelspartner, der an der Differenz zwischen An- und Verkaufspreis verdient. Grundsätzlich gilt: Je kleiner die erworbene Menge, desto höher sind die Kosten im Verhältnis zur Kaufsumme. Erst ab einem Barrengewicht von 50 Gramm sinkt die Handelspanne bei Banken im Durchschnitt auf ein erträgliches Maß von rund 3,5 Prozent. Das geht aus einer Studie der Steinbeis-Hochschule Berlin im Auftrag der Deutschen Börse AG hervor. Danach sind Edelmetallhändler sehr viel teurer als Banken, solange die erworbene Goldmenge unter 250 Gramm liegt. Ab dieser Menge lohnt sich aber ein Preisvergleich zwischen verschiedenen Händlern und Geldinstituten.

Physisches Gold ist zweifellos sicherer als ETC wie Xetra Gold. Doch Erwerb und Verwaltung von Barren und Münzen sind teurer. Physisches Gold in ein Rebalancing einzubeziehen, erscheint deswegen wenig sinnvoll. Wer Gold wegen seiner Diversifikationseigenschaften kauft, ist mit einem ETC besser beraten.

Der Autor


Markus Neumann ist Finanzjournalist, Herausgeber des Online-Anlegermagazins Fairvalue und Sachbuchautor. Zuletzt erschien von ihm „Das ETF-Portfolio – wie Sie ein fast unschlagbares Depot zusammenstellen und managen“. 2020 war er für den Deutschen Journalistenpreis in der Kategorie Vermögensverwaltung nominiert. Folgen Sie ihm auf Twitter.

© Fairvalue, aktualisiert am 26.01.2021

Fotografie: Bundesbank

Quellen

Eigene Recherchen und Berechnungen

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