Geldanlage für Angsthasen

Wie Sie ohne Verlustrisiko an der Börse investieren

Von Markus Neumann

Garantiedepot: Verluste ausgeschlossen

Wer sich vor Verlusten an den Aktienmärkten fürchtet, kann sich mit einem selbstkonstruierten Sicherheitsnetz schützen. Das eingesetzte Kapital ist dabei garantiert – und die Renditechancen sind höher als mit festverzinsten Anlagen oder Garantieprodukten der Finanzindustrie.

Je stärker die Aktienmärkte schwanken, desto mehr sehnen sich Anleger nach Sicherheit. Banken und Fondsgesellschaften nutzen solche Phasen gerne, um sogenannte Garantieprodukte zu platzieren. Sie versprechen einen weitgehenden Erhalt des eingesetzten Kapitals. Das klingt gut, hat aber einen entscheidenden Haken: Die Renditen müssen Anleger mit der Lupe suchen. In der Regel fahren sie besser, wenn sie sich ihr eigenes Garantiedepot zusammenbauen.

Ein solches Depot hat zwei Vorteile: Es bietet es die Chance auf eine Rendite, die über der von sicheren festverzinslichen Anlagen liegt. Gleichzeitig bleibt das eingesetzte Kapital erhalten. Möglich macht dies eine geschickte Kombination festverzinslichen Anlagen und Aktienfonds.

Für den festverzinsten Depotanteil kommen Festgeld und Bundesanleihen in Frage. Nehmen Sie die Anlageform, die den höheren Zins bietet. Derzeit ist das Festgeld. Rentenfonds auf Euro-Basis sind weniger geeignet, weil es für sie keinen festen Rückzahlungstermin gibt und ihre Kurse schwanken.

Der Aktienanteil sollte aus breit gestreuten Fonds bestehen, die international in verschiedene Branchen und Länder investieren. Empfehlenswert sind entsprechende börsengehandelte Indexfonds (ETF), etwa auf den MSCI-World-Index.

Das Grundprinzip eines Garantiedepots

Am einfachsten lässt sich ein Garantiedepot konstruieren, wenn Sie einen bestimmten Betrag für einen festgelegten Zeitraum investieren wollen. Sie legen dann genau so viel Geld festverzinst an, dass Sie am Ende zumindest die anfangs eingesetzte Summe zurückbekommen. Der Rest des Geldes fließt in Aktienfonds. Je länger die Anlagedauer und je höher der Zins, desto größer ist der Aktienanteil in einem Kapitalschutzdepot.

Beispiel: 100.000 Euro sollen in einem Garantiedepot angelegt werden. Die Laufzeit beträgt fünf Jahre und der Festgeldzins 3 Prozent. Um bei einem Zinssatz von 3 Prozent nach fünf Jahren 100.000 Euro zu erhalten, müssen Sie rund 87.000 Euro als Festgeld anlegen. Weil nicht sicher ist, zu welchem Zins die jährlichen Zinserträge wieder angelegt werden können, sind hierbei Zinseszinseffekte nicht berücksichtigt.

Für die restlichen 13.000 Euro kauft der Anleger einen ETF auf den MSCI World oder ein ähnliches Produkt (siehe ETF-Empfehlungen unten). Damit entspricht der Aktienanteil immerhin 13 Prozent. Selbst wenn in diesem Fonds alle Firmen pleitegingen und es zu einem Totalverlust käme, was mehr als unwahrscheinlich ist, bliebe der ursprüngliche Gesamtanlagebetrag von 100.000 Euro nach fünf Jahren erhalten.

Chancen und Risiken eines Garantiedepots

Die Garantiedepot-Rendite hängt von der Wertentwicklung des Aktien-ETF ab. Der Fonds muss wenigstens eine Rendite in Höhe des Festgeldzinses erzielen, damit der Gesamtertrag am Ende ebenso hoch ist wie mit einer reinen Festgeldanlage. Liegt die Aktienrendite über dem Zins, schneiden Anleger besser ab.

Die Wahrscheinlichkeit dafür war in der Vergangenheit hoch. Historisch betrachtet betrug die Wahrscheinlichkeit mit einem ETF auf den MSCI World eine Rendite von 3 Prozent und mehr zu erzielen zwischen 64 und 83 Prozent bei Laufzeiten von einem bis zehn Jahren. Ab einer Laufzeit von sechs Jahren stieg die Wahrscheinlichkeit von 66 Prozent auf bis zu 83 Prozent (zehn Jahre) an. Die durchschnittliche Rendite betrug mehr als 8 Prozent über Depotlaufzeiten von einem bis zu zehn Jahren.

Unter dem Strich bedeuten diese Daten, dass es in der Vergangenheit sehr wahrscheinlich war, mit einem Garantiedepots besser dazustehen als mit einer reinen Festgeldanlage. Auf der anderen Seite waren natürlich auch schlechtere Ergebnisse möglich. Das ist der Preis für die größere Renditechance durch den Aktienanteil.

Je höher der Aktienanteil, desto größer die Renditechancen

Nehmen wir nun an, der Aktien-ETF steigt pro Jahr im Durchschnitt um 8 Prozent. Das Endvermögen summiert sich dann auf 119.101 Euro – immerhin 4101 Euro mehr als im Vergleich zu einer reinen Festgeldanlage zu 3 Prozent (bei einfacher Verzinsung). Das Beispiel zeigt: Große Sprünge sind mit einem so geringen Aktienanteil von 13 Prozent nicht zu machen.

Die folgende Tabelle zeigt, wie groß der Aktienanteil in Abhängigkeit von Zinshöhe und Depotlaufzeit ausfällt. Bei diesen Berechnungen haben wir wie in dem obigen Beispiel einen möglichen Totalverlust des Aktien-ETF unterstellt. Zudem haben wir keine Steuern berücksichtigt. Fallen bei allen Erträgen Abgeltungs- und möglicherweise auch Kirchensteuer an, muss der jeweilige Aktienanteil geringer angesetzt werden.

Aktienanteil bei einem Zinsatz von ... Prozent und einer Laufzeit von ... Jahren. (Annahme: Totalverlust der Aktien)

Quelle: Fairvalue-Berechnungen

Pragmatiker wählen einen höheren Aktienanteil

Allerdings ist es nicht sonderlich realistisch, mit einem Totalverlust des Aktien-ETF zu rechnen. In den zurückliegenden fünf Jahrzehnten betrug der maximale Verlust des Weltaktienmarktes 53 Prozent (auf Basis von Monatsdaten in Euro).

Pragmatische Anleger können demnach unterstellen, dass der Wert von Weltaktienmarkt-ETF um nicht mehr als 60 Prozent sinken wird. Eine Garantie dafür gibt es allerdings nicht. Es ist durchaus denkbar, dass es in Zukunft zu höheren Verlusten kommen könnte wie etwa während der Börsen- und Weltwirtschaftskrise in den 1930er-Jahren. Seit den 1970er-Jahren war die Wahrscheinlichkeit für einen größeren Verlust als 50 Prozent aber sehr gering (siehe Tabelle).

Historische Wahrscheinlichkeiten für Verluste des MSCI World zwischen 1970 und Januar 2023

Quelle: MSCI, Fairvalue-Berechnungen. Stand: Februar 2023

Wenn man mit einem Minus von 60 Prozent statt mit einem Totalverlust kalkuliert, erhöht sich der Aktienanteil im Garantiedepot – und damit die Renditechancen. Die Aktiengewichte für dieses Szenario zeigt die nächste Tabelle.

Aktienanteil bei einem Zinsatz von ... Prozent und einer Laufzeit von ... Jahren. (Annahme: Maximal 60Prozent Verlust der Aktien)

Quelle: Fairvalue-Berechnungen

Für das Rechenbeispiel oben (3 Prozent Zinsen, fünf Jahre Anlagedauer) würde das bedeuten, dass ein Anleger statt 13 immerhin 20 Prozent seiner 100 .000 Euro, und damit 20.000 Euro, in Aktienfonds anlegen könnte. Nimmt man wieder eine durchschnittliche Aktienrendite von 8 Prozent pro Jahr an, erwirtschaftet ein Anleger mit dem Garantiedepot fast 14.400 Euro mehr als mit einer reinen Festgeldanlage – wenn alles gut geht.

Vermögensbremse Inflation

Vorsichtige Anleger sind immer gut beraten, wenn sie von einem Totalverlust des Aktien-ETF ausgehen, sollte man meinen. Doch diese Sicht der Dinge hat einen Schönheitsfehler. Bei der Berechnung der Aktienanteile blieb nämlich ein Risiko außen vor: die Inflation.

Staatsanleihen und Bankeinlagen sind nicht vor Inflation geschützt. Im Februar 2023 reichten die Zinsen von rund 3 Prozent nicht einmal annähernd, um die Inflation in Deutschland von 8,6 Prozent auszugleichen.

Natürlich weiß niemand, wie sich die Teuerungsrate in den kommenden Jahren entwickeln wird. Dennoch dürften auch sehr vorsichtige Anleger richtig liegen, wenn sie eine Depotmischung mit einem höheren Aktienanteil zu wählen. Denn die höheren erwarteten Renditen von Aktien-ETF können die gestiegenen Konsumentenpreise eher kompensieren. Zwar ist der nominale Kapitalerhalt nicht mehr zu 100 Prozent garantiert, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Aktienfonds die 60-Prozent-Verlustmarke in der Zukunft reißen. Doch diesem geringen Risiko steht ein besserer Inflationsschutz gegenüber.

So setzten Sie Ihr Garantiedepot um

Zunächst sollten Sie die Anlagedauer festlegen. Anschließend wählen Sie eine geeignete festverzinsliche Anlage. Das allerdings ist gar nicht so einfach, wenn Sie mit einer längeren Anlagedauer kalkulieren.

Schon der Zinsvergleich zwischen Festgeldern und Bundeswertpapieren ist tückisch. Denn die durchschnittlichen jährlichen Renditen, die für Bundesanleihen angegeben werden, sind nur grobe Schätzungen des Ertrages und nicht garantiert. Das liegt an dem Berechnungsverfahren, für das Annahmen getroffen werden müssen, die in der Realität nicht immer zutreffen. So wird beispielsweise unterstellt, dass die Zinskupons auch künftig zu der aktuellen Rendite angelegt werden können.

Dennoch sind die ausgewiesenen Renditen ein guter Indikator. Aktuelle Daten veröffentlicht die Bundesfinanzagentur täglich. Die Liste der Renditen aller umlaufenden Bundeswertpapiere finden Sie hier.

Lohnen sich längere Laufzeiten bei Festgeld?

Im Februar 2023 ist die Lage an der Zinsmärkten schwierig für Anleger, die ein Garantiedepot bauen wollen. Festgeld liefert bei Laufzeiten zwischen zwei und zehn Jahren höhere Renditen als Bundeswertpapiere. Aber die Zinsaufschläge für langlaufendes Festgeld fallen sehr mager aus. Festgeld mit Fälligkeit in zwei Jahren bringt 3,2 Prozent Zinsen pro Jahr, bei fünf Jahren Laufzeit sind es nur 0,2 Prozentpunkte mehr (Stand: 8. Februar 2023).

Da sich die Notenbanken in den USA und in Europa wegen der nach wie vor hohen Inflation in einem Zinserhöhungszyklus befinden, erscheint es wenig attraktiv, sich für einen längeren Zeitraum zu verpflichten. Zur Erinnerung: Festgeld ist während der Laufzeit unkündbar, der Zins festgeschrieben. Steigen die Zinsen, profitieren Anleger nicht davon. Anderseits können Sie sich langfristig eine höhere Rendite sichern, sollten die Zinsen in dem von Ihnen gewählten Anlagezeitraum fallen.

Ob es besser ist, sich für eine kürzere oder längere Laufzeit zu entscheiden, lässt sich nicht mit Sicherheit vorhersagen. Die künftige Entwicklung der Zinsen ist unbekannt.

Deswegen gibt es einen Unsicherheitsfaktor in Ihrer Planung, wenn Sie beispielsweise für sechs Jahre in ein Depot mit Kapitalschutz investieren wollen, aber zunächst nur Festgeld für zwei Jahre abschließen. Wird es fällig, können Sie möglichweise zu einem höheren Zins wieder anlegen – vielleicht aber auch nicht. Sollten die Zinsen gesunken sein, müssten Sie Ihren Aktienanteil entsprechend anpassen.

Wer keine Meinung zur Zinsentwicklung hat und sich möglichst wenig Arbeit mit seinem Garantiedepot machen will, wählt Festgeld (oder eine Bundesanleihe) mit einer Laufzeit, die der gewünschten Investitionsdauer entspricht.

Bei Abschluss von Festgeldern sollten Sie darauf achten, dass die Zinsen jährlich ausgeschüttet werden. Mehr dazu lesen Sie in unserem Ratgeber Festgeld. Dort finden Sie auch einen Vergleichsrechner, der Ihnen die aktuell besten Zinsangebote von Banken mit solider Einlagensicherung anzeigt.

Was für Bundesanleihen spricht

Unter Umständen kann es vorteilhafter sein, in eine Bundesanleihe zu investieren und die derzeit niedrigere Verzinsung in Kauf zu nehmen (Stand: Februar 2023). Das ist dann der Fall, wenn es Ihnen auf maximale Flexibilität ankommt. Eine Bundesanleihe können Sie jederzeit verkaufen. Bei einem Verkauf vor Fälligkeit sind allerdings Kursverluste ebenso wie -gewinne möglich. Mehr dazu lesen Sie in unserem Ratgeber Anleihen.

Den passenden Aktien-ETF wählen

Für den Aktienanteil empfehlen wir einen ETF auf den Industrieländerindex MSCI World. Alle Details zu diesem Index enthält der Ratgeber MSCI World.

Möchten Sie auch Schwellenländeraktien in Ihrem Portfolio berücksichtigen, können Sie einen Schwellenländer-ETF dazunehmen. Welches Mischungsverhältnis das erfolgversprechendste ist, lässt sich im Vorfeld nicht sagen. Üblicherweise wird entweder nach Marktkapitalisierung oder nach Wirtschaftsleistung gewichtet. Ersteres führt zu einem Schwellenländeranteil von etwa 15 Prozent, letzteres zu etwa 40 Prozent.

Eine Alternative sind ETF auf Indizes, die den gesamte Weltaktienmarkt umfassen. Sie sind nach Marktkapitalisierung gewichtet. Dazu zählen der MSCI All Country World Index und der FTSE All World.

Die folgende Tabelle enthält die ETF auf die genannten Indizes, die Fairvalue empfiehlt.

ETF-Empfehlungen für Industrie- und Schwellenländer

Quelle: JustETF. Stand: 8. Februar 2023

Für den Kauf von ETF an der Börse benötigen Sie ein Wertpapierdepot. Zu welchen Anbietern wir raten, lesen Sie in unserem Depot-Test.

Fairvalue-Empfehlungen

Garantiedepots bieten Anlegern, die bisher aus Angst vor Verlusten nicht in Aktien investiert haben, einen Einstieg an der Börse, bei dem das nominale Anfangskapital erhalten bleibt. Wer etwas mehr riskieren will, nimmt einen maximalen Verlust des Aktien-ETF von 60 Prozent oder weniger an. Entsprechend höher fällt dann der Aktienanteil aus.

Falls Ihr Anfangskapital nicht vollständig zu einem bestimmten Zeitpunkt zur Verfügung stehen muss, können Sie Crashs am Aktienmarkt, die größer als erwartet ausfallen, bequem aussitzen.

Depots mit Kapitalschutz eignen sich auch für Anleger, die nur für wenige Jahren investieren können und ihr Kapital zu einem festgelegten Zeitpunkt benötigen, etwa für einen Immobilienkauf.

Der Autor


Markus Neumann ist Finanzjournalist, Gründer des Online-Anlegermagazins Fairvalue und Sachbuchautor. Zuletzt erschien von ihm „Das ETF-Portfolio – wie Sie ein fast unschlagbares Depot zusammenstellen und managen“. 2020 war er für den Deutschen Journalistenpreis in der Kategorie Vermögensverwaltung nominiert. Folgen Sie ihm auf Twitter.

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Länge: 1800 Wörter (13.000 Zeichen), vier Tabellen.

© Fairvalue 09.02.2023

Fotografie: Pawel Janiak/Unsplash

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