Die Finanzindustrie war schon immer kreativ, wenn es darum ging, Anlegern möglichst unbemerkt das Geld aus der Tasche zu ziehen. Ein Beispiel dafür sind die Erfolgsvergütungen von aktiv gemanagten Fonds. Diese sogenannten Performance Fees erlaubten es Fondsanbietern jahrelang, zusätzliche Entgelte zu kassieren, ohne eine Gegenleistung zu erbringen – bis schließlich die Aufsichtsbehörde einschritt.
Manche Tricks der Vergangenheit sind jetzt untersagt, aber fair gestaltet sind die Erfolgsvergütungen nach wie vor nicht. Vor allem dienen sie weiterhin dazu, die wahren Kosten von Investmentfonds zu verschleiern.
Von diesen teuren aktiv gemanagten Fonds haben sich viele Anleger inzwischen abgewandt. Jetzt suchen sie ihr Heil in börsengehandelten Indexfonds (ETF). Diese relativ neuen Produkte sind ziemlich transparent und kosten wenig, weswegen sie bei Anlegern in den vergangenen 15 Jahren immer beliebter wurden.
Immer mehr teure Aktien-ETF, die keinen Mehrwert bieten
Doch inzwischen hat auch die ETF-Branche Mittel und Wege gefunden, um Anleger unauffällig zu melken. Das geht aus einer neuen Studie von drei Finanzprofessoren der Universität von Arizona mit dem Titel „Dominated ETFs“ hervor. Die Analysen von David C. Brown, Scott Cederburg und Mitch Towner zeigen, dass US-Anleger, die in Aktien-ETF investieren, jährlich 847 Millionen US-Dollar zu viel für die Verwaltung und den Handel bezahlen.
Den Wissenschaftlern zufolge sind in den vergangenen Jahren immer mehr teure Aktien-ETFs auf den Markt gekommen, die vorgeben, eine einzigartige Strategie zu verfolgen, sich aber in Wahrheit kaum von sehr preiswerten ETFs unterscheiden, die bekannte Indizes abbilden wie den S&P 500. Bei diesen Beutelschneider-ETF handelt es sich häufig um sogenannte Smart-Beta-ETF.
Die Finanzmarktforscher untersuchten alle Aktien-ETFs, die zwischen Januar 2000 und Juni 2018 an amerikanischen Börsen gelistet waren und ausschließlich in US-Aktien investierten. Das waren 569 Fonds. 39 Prozent davon unterschieden sich von anderen ETFs nur dadurch, dass sie teurer waren. Diese Fonds verwalteten überraschenderweise 36 Prozent des Kapitals, das insgesamt investiert war.
So untersuchten die Wissenschaftler den ETF-Markt
Die Professoren bezeichnen ETF, die teurer sind als fast identische Produkte, als „dominiert“. Als nahezu identisch stuften sie Aktien-ETFs ein, zwischen denen die Korrelation in den vergangenen zwölf Monaten mindestens 0,95 betragen hatte. Bei einer derartig hohen Korrelation befinden sich zwei ETFs in einem fast perfekten Gleichlauf. Wenn die Rendite des einen steigt, steigt fast immer auch die Rendite des anderen ETF – und umgekehrt. Über das Ausmaß der Kursbewegung sagt die Korrelation aber nichts aus.
Einen ETF stufen die Forscher als dominiert ein, wenn die Gesamtkostenquote von mindestens einem fast identischen ETF niedriger und dessen Handelskosten geringer sind. Die Handelskosten ergeben sich aus der Differenz zwischen An- und Verkaufskursen (Spread) und dem täglichen Handelsvolumen an der Börse. Diese beiden Kennzahlen messen die sogenannte Liquidität eines ETF. Grundsätzlich gilt: Je höher das Handelsvolumen, desto geringer die Spreads.
Nicht dominiert werden ETFs, wenn ihre Verwaltungskosten in der jeweiligen Vergleichsgruppe aus hoch korrelierten ETFs am niedrigsten sind, wenn sie liquider sind als ETFs mit geringeren Kosten oder wenn sie keinem anderen Fonds fast gleichen.
Neue ETFs sind oft teure Strategie-Produkte
Die 569 untersuchten ETFs teilt die Studie in fünf Gruppen ein: In
- Index-ETFs, die bekannte Marktindizes nachbilden wie den S&P 500.
- Quasi-Index-ETFs, die regelbasierten Strategien folgen. Dazu zählen beispielsweise ETFs, die nicht nach Marktkapitalisierung gewichtet sind, sondern jede Aktie gleichgewichten.
- Aktive ETFs, die aktiv gemanagt werden oder eine eigene, exklusive Strategie verfolgen.
- Sektor-ETFs, die Anlegern Zugang zu einzelnen Marktsegmenten wie Informationstechnologie und Finanzwesen bieten.
- Smart-Beta-ETFs, die Aktien nach bestimmten Eigenschaften wie etwa ihrer Marktbewertung selektieren.
Anfang des neuen Jahrtausends, als ETFs noch weitgehend unbekannt waren, gab es nur einige Index- und Sektor-ETFs. Mit dem wachsenden Erfolg dieser Produktgattung kamen dann immer mehr Smart-Beta- und Quasi-Index-ETFs auf den Markt. Zudem lancierte die Branche aktive ETFs. Letztere verlangen mit im Schnitt 0,63 Prozent pro Jahr die mit Abstand höchsten Verwaltungsentgelte, auch Total Expense Ratio (TER) genannt. Quasi-Index- und Sektor-ETFs kosten durchschnittlich 0,45 Prozent und Smart-Beta-ETFs 0,37 Prozent pro Jahr. Dagegen betrug die TER von Index-ETFs nur 0,18 Prozent.
Die durchschnittliche Differenz bei der Gesamtkostenquote zwischen dominierten und dominanten ETFs betrug 0,22 Prozentpunkte. Hinzu kamen um 0,06 Prozentpunkte höhere Handelskosten. Unter dem Strich waren demnach Beutelschneider-ETF um 0,28 Prozentpunkte pro Jahr teurer als nahezu identische Produkte.
Viele Smart-Beta-ETF sind Mogelpackungen
Zum Ende des Untersuchungszeitraumes im Juni 2018 verwalteten 144 Smart-Beta-ETFs (32 Prozent von allen gelisteten Aktien-ETF, die in US-Aktien investierten) zusammen 428 Milliarden US-Dollar. Das entspricht 22 Prozent des Gesamtkapitals, das in ETF auf amerikanische Aktien investiert war.
Doch viele dieser Produkte sind heimliche Plagiate von Index-ETF. Nach Angaben der Wissenschaftler 41 Prozent. Smart-Beta-Produkte werden von allen fünf ETF-Kategorien am häufigsten dominiert, gefolgt von Sektor-ETFs. Dominante ETFs sind meist Index-ETF, in die sehr viel Kapital investiert ist und die schon lange auf dem Markt sind. Diese Fonds verwalteten fast die Hälfte der insgesamt in die untersuchten ETFs angelegten Gelder.
Anleger können Gleichartigkeit von Strategie-ETF nicht erkennen
Dominierte ETFs, die bekannte Markt- und Sektor-Indizes nachbilden, sind im Durchschnitt eher klein gemessen am investierten Kapital. Dagegen sind dominierte Smart-Beta-Produkte und andere dominierte Fonds, die komplexere Strategien verfolgen, überraschend groß. Das zeigt nach Ansicht der Wissenschaftler, dass Anleger eher in der Lage sind, zu teure Produkte zu identifizieren, wenn der Vergleich einfach ist, etwa bei konkurrierenden ETF auf denselben Index. Bei Strategie-Produkten lässt sich dagegen nur mit statistischen Analysen aufdecken, welche heimliche Plagiate sind und welche nicht.
Ein Grund, warum dominierte ETFs so viel Kapital anziehen, ist nach Ansicht der drei Finanzprofessoren die Chance, den Markt zu schlagen. Das ist nur mit Produkten möglich, die keine Marktindizes abbilden. Doch nach Angaben der Forscher ließen sich keine Belege dafür finden, dass dominierte ETFs höhere durchschnittliche Renditen abgeworfen hätten. Stattdessen seien die Wertschwankungen größer gewesen.
Laut der Studie können auch irrationales Verhalten und hohe Kosten für Recherchen dazu führen, dass viele Anleger in teure ETFs investieren, obwohl es fast identische Produkte gibt, die nur halb so viel oder noch weniger kosten. Davor sind auch institutionelle Anleger nicht gefeit. Der Untersuchung zufolge hatten sie genauso viel Kapital in dominierte ETFs investiert wie Privatanleger.
Fairvalue-Empfehlungen
Nach Schätzungen der Wissenschaftler zahlten amerikanische ETF-Anleger, die in US-Aktien investiert hatten, zwischen Januar 2000 und Juni 2018 etwa 6,7 Milliarden US-Dollar zu viel. Die unnötigen Kosten sind über die Zeit von Jahr zu Jahr gestiegen. Zum Ende des Untersuchungszeitraumes betrugen sie 847 Millionen US-Dollar pro Jahr.
Demnach profitieren Anleger nicht von dem steigenden Angebot an ETFs. Vielmehr dient es dazu, privaten und institutionellen Anlegern das Geld aus der Tasche zu ziehen.
Da Privatanleger meist nicht über die Daten und das statistische Know-how verfügen, um heimliche Plagiate aus dem großen Angebot herauszufiltern, sollten sie sich auf große Index-ETF konzentrieren. Die besten ETFs auf einen Marktindex wie den MSCI World lassen sich aber nicht mit Hilfe der TER identifizieren. Denn sie enthält nur einen Teil der Kosten. Nach Analysen von Fairvalue sind die Rendite oder die Tracking-Difference der vergangenen fünf Jahre ein besserer Indikator, um gute ETF auszuwählen.
Sollte sich die Entwicklung der vergangenen Jahre fortsetzen und immer mehr börsengehandelte Indexfonds auf den Markt kommen, die heimliche Plagiate mit höheren Verwaltungskosten sind, wird das Akronym ETF, das für Exchange Traded Funds steht, vermutlich bald umgedeutet in: Extra Teure Fonds.