Sachwerte

Immobilien schützen nicht immer vor Inflation

Von Markus Neumann

Immobilien schützen nicht immer vor Inflation

Ob die Rendite von Immobilien höher ausfällt als die Inflationsrate, hängt zwar nicht vom Wind ab, aber letztlich von Angebot und Nachfrage. Die Teuerung selbst ist kein Treiber von Immobilienrenditen

Immobilien gelten neben Gold als Allzweckwaffe gegen steigende Inflation. Doch dieser Glaube stützt sich mehr auf vage Hoffnungen als auf harte Fakten. Immobilien sind nicht immer ein Fels in der Brandung. Ihre Preise können stark schwanken.

Das sollte dem Letzten spätestens klar geworden sein, seit die Preise zu Beginn der Finanzkrise im Jahr 2007 in den USA und in einigen europäischen Ländern abstürzten. Viele Hauseigentümer gerieten in die Schuldenfalle. Sie hatten teuer auf Kredit gekauft und als die Preise fielen, waren die Kreditbelastungen plötzlich höher als der Wert der Immobilie. Wer keine zusätzlichen Sicherheiten bieten oder Kapital bei den Banken nachschießen konnte, verlor im schlimmsten Fall das Haus und saß zusätzlich noch auf einem Schuldenberg. Man kann solche Fälle als Extrembeispiele abtun, aber sie illustrieren, dass Immobilien alles andere als risikolos sind.

Auch wer nicht in einem überhitzten Markt kauft, ist keineswegs vor bösen Überraschungen sicher. In Ostdeutschland beispielsweise, wo viele Kommunen mit einer schrumpfenden Bevölkerung kämpfen, bröckeln die Immobilienpreise vielerorts schleichend ab. Dass eine solche Investition keinen Inflationsschutz bieten kann, versteht sich von selbst.

Vorsicht vor Studien: Wissenschaft im Dienst der Finanzindustrie

Grundsätzlich muss zwischen Wohn- und Gewerbeimmobilien unterschieden werden. Letztere werden noch weiter in Büro- und Handelsimmobilien unterteilt. Zwar existiert eine Vielzahl von Untersuchungen, die sich mit der Frage beschäftigen, ob und welche Immobilien sich als Schutz gegen Inflation eignen. Doch eine eindeutige Antwort gibt es nicht.

Manche propagieren Wohnimmobilien als gute Absicherung, andere das genaue Gegenteil. Gleiches gilt für Gewerbeimmobilien. Fast schon amüsant erscheinen zwei Studien, die von der International Real Estate Business School (IREBS), einem Zweig der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Regensburg, erstellt wurden. Die erste unter der Leitung von Professor Steffen Sebastian kommt 2012 zu dem Ergebnis, dass offene Immobilienfonds, die in Gewerbeimmobilien investieren, und börsennotierte Immobiliengesellschaften wie Real Estate Investment Trusts (Reits) eine Absicherung gegen Inflation bieten. Direkten Investitionen in Wohneigentum wird diese Eigenschaft dagegen abgesprochen.

Ein Jahr später präsentiert Sebastians IREBS-Kollege Professor Tobias Just dem staunenden Publikum Untersuchungsergebnisse zum Thema Inflationsschutz, die exakt das Gegenteil proklamieren: „Abschließend sei anzumerken, dass er für Wohnimmobilien besser zu funktionieren scheint als für Gewerbeimmobilien und für direkte Anlagen besser als für Immobilienwertpapiere (…).“

Eine naheliegende Erklärung für derart widersprüchliche Resultate ist die unterschiedliche Finanzierung der Studien. Sebastians Werk wurde von der European Public Real Estate Association (EPRA) und dem Deutschen Fondsverband (BVI) gefördert. Die EPRA ist ein Zusammenschluss von börsennotierten Immobilienunternehmen und der BVI vertritt Fondsgesellschaften, die offene Immobilienfonds und Immobilienaktienfonds vertreiben. Die zweite Studie von Prof. Just  entstand in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bank. Die wiederum trommelt für den Erwerb von Wohnimmobilien, weil der Verkauf von Finanzierungen eine wichtige Säule in ihrem Geschäftsmodell ist. Da kommt alles, was Häuser und Eigentumswohnungen in ein gutes Licht rückt, gerade recht.

Dieser Fall von möglicherweise interessengesteuerter „Wissenschaft“ steht exemplarisch für ein strukturelles Problem: Unabhängige Forschung zum Thema Immobilien (und anderen Geldanlagethemen) gibt es kaum in Deutschland. Die meisten Studien sind direkt oder indirekt von Unternehmen finanziert. Das IREBS und ein weiteres Forschungsinstitut leben von den Zuwendungen der Immobilienwirtschaft. „Forschungsergebnisse“ werden regelmäßig zur Verkaufsförderung und zur Imagepflege der Immobilienbranche eingesetzt. Eine Einflussnahme auf die Ergebnisse ist nicht sonderlich schwierig. Oft reicht es schon, die passenden Analysezeiträume zu Grunde zu legen und die „richtigen“ Datensätze auszuwählen, um die gewünschten Ergebnisse zu erhalten.

Angebot und Nachfrage am Standort sind entscheidend

Ohnehin sind die Daten zu Immobilienpreisentwicklungen ein Problem. Denn Immobilien werden nicht öffentlich und transparent an Börsen gehandelt wie Rohstoffe und Aktien. Datenanbieter müssen sich fast immer auf Preise aus öffentlichen Angeboten stützen, von denen aber niemand weiß, ob sie auch nur annähernd bezahlt wurden. Hinzu kommt, dass die Anzahl der Transaktionen vergleichsweise gering ist. Verschiedene Datenanbieter versuchen mit unterschiedlichen Methoden die Preisschwankungen von Immobilien wenigstens näherungsweise nachzuzeichnen. Die Ergebnisse weichen aber voneinander ab. Auch das kann zu widersprüchlichen Analysen führen. Ebenso wie das Eigenleben, das viele nationale und lokale Immobilienmärkte führen. Ursache sind unterschiedliche Gepflogenheiten und Vorschriften beispielsweise bei der Gestaltung von Mietverträgen. Deswegen muss das, was für die USA gilt, noch lange nicht auf Deutschland zutreffen.

Abgesehen von den Unzulänglichkeiten bei der Messung von Haus- und Wohnungspreisen, gibt es für Anleger ein erhebliches praktisches Problem. Selbst wenn Wohnimmobilien im Durchschnitt eine gute Absicherung gegen Inflation wären, könnten Investoren – anders als beispielsweise bei Aktien – nie den Index nachbilden. Sie müssen sich auf eines oder wenige Objekte beschränken.

Ob die reale jährliche Rendite dann positiv ist, hängt von der einzelnen Immobilie ab. Vom Einkaufspreis und vor allem von Angebot und Nachfrage am jeweiligen Standort. Das Angebot lässt sich an der Leerstandquote, der noch vorhandenen Baufläche und der Anzahl der geplanten Neubauten ablesen. Die Nachfrage hängt im Wesentlichen davon ab, ob die Anzahl der Haushalte wächst, etwa aufgrund von Zuwanderung oder weil immer mehr Menschen alleine leben. Inflation, Konjunkturentwicklung und die Höhe der Realzinsen haben dagegen nur einen geringen Einfluss auf die Rendite von Wohnimmobilien. Darauf deuten plausibel erscheinende Untersuchungen hin.

Auch Gewerbeimmobilien haben ihre Tücken

Bei Gewerbeimmobilien liegen die Dinge etwas anders. Wegen der sehr hohen Investitionssummen können sich auch die meisten institutionellen Anleger nur über Fonds beteiligen. Offene Immobilienfonds, die in Deutschland zugelassen sind, streuen das Kapital in der Regel international über eine Vielzahl von Objekten. Zwar senkt die Diversifikation das Risiko, auf die Nase zu fallen, und die Mieten sind häufig inflationsindexiert. Aber ein Garant für einen funktionierenden Inflationsschutz ist das nicht.

Wenn die Inflation steigt und in der Folge höhere Zinsen die Konjunktur bremsen, kann die Nachfrage nach Gewerbeflächen einbrechen. Inflationsklauseln sind dann möglicherweise nicht mehr durchsetzbar. Langfristige Mietverträge werden nachverhandelt und Quadratmeterpreise gedrückt. Von Inflationsschutz kann dann keine Rede mehr sein. Zudem deuten internationale Untersuchungen daraufhin, dass die realen Renditen von Gewerbeimmobilien sinken, wenn die Inflation steigt.

Immobilien bieten kurzfristig keinen Schutz vor Inflation

Weder Wohn- noch Gewerbeimmobilien eignen sich als kurzfristiger Inflationsschutz. Die Preise sind träge und passen sich nicht so schnell an wie die von Aktien oder Rohstoffen. Die langfristigen Renditen von Wohnimmobilien lagen in Deutschland in der Vergangenheit im Schnitt über denen von Bundesanleihen und damit auch deutlich über der Inflationsrate.

Inwieweit dies für einzelne Objekte gilt, hängt vom Kaufpreis und von Angebot und Nachfrage am jeweiligen Standort ab – nicht von der Inflationsentwicklung. Wer aber eine gute Wohnimmobilie zu einem vernünftigen Preis kauft, kann sich auch künftig begründete Hoffnung auf einen Ertrag oberhalb der Teuerung machen.

Für offene Immobilienfonds spricht, dass die Wahrscheinlichkeit, mit einem gemischten Portfolio eine positive Rendite zu erzielen, höher ist als mit einem einzelnen Objekt. Auf der anderen Seite sind die in offenen Immobilienfonds enthaltenen Gewerbeimmobilien deutlich konjunktursensibler als Wohnobjekte. Auch die Renditen von Fonds mit deutscher Zulassung waren in den vergangenen Jahren nicht gerade üppig. Sie rangierten nominal zwischen zwei und drei Prozent – mit fallender Tendenz.

Der Autor


Markus Neumann ist Finanzjournalist, Herausgeber des Online-Anlegermagazins Fairvalue und Sachbuchautor. Zuletzt erschien von ihm „Das ETF-Portfolio – wie Sie ein fast unschlagbares Depot zusammenstellen und managen“. 2020 war er für den Deutschen Journalistenpreis in der Kategorie Vermögensverwaltung nominiert. Folgen Sie ihm auf Twitter.

© Fairvalue, aktualisiert am 03.06.2021

Fotografie: Kuo-Chiao Lin / Unsplash.com

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