Wohnimmobilien und insbesondere deren Preisentwicklung sind in Deutschland nach wie vor eines der dominierenden Party-Gespräche. Fast jeder, der flüssig, kreditwürdig oder beides ist, scheint derzeit auf der Jagd nach den eigenen vier Wänden zu sein oder möchte eine Immobilie als Kapitalanlage erwerben. Niedrige Zinsen, gute Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt, steigende Löhne und ein moderates Wirtschaftswachstum machen es möglich.
Dass in einem solchen Umfeld die Preise immer weiter anziehen, ist ein Naturgesetz der Ökonomie. Ein knappes Angebot an Wohnraum, das nicht auf die Schnelle ausgeweitet werden kann, trifft auf eine rasant wachsende Nachfrage.
Das Ganze erinnert ein wenig an das Ende der 1990er-Jahre, als alle Welt nur noch über Aktien redete und Taxifahrer ihre Fahrgäste unaufgefordert mit vermeintlich brandheißen Börsentipps versorgten. Einige Zeit später endete die Aktien-Manie mit einem Crash.
Interessengeleitete Debatte: Sind Wohnimmobilien überteuert?
Manche Marktbeobachter sorgen sich nun auch um den Immobilienmarkt. An der Frage, ob es nach Jahren rasant steigender Preise bereits zu einer Überhitzung oder zum Beginn einer Blasenbildung gekommen ist, scheiden sich allerdings die Geister. Da die Debatte auf Basis wenig gesicherter Daten geführt wird und hochgradig interessengeleitet ist, ist der Erkenntnisgewinn gering.
Die Argumente, mit denen manche versuchen, den Markt günstig zu reden, sind zum Teil abstrus. So führte etwa der Maklerverband IVD ins Feld, dass die Neuvertragsmieten inflationsbereinigt noch mehr als 20 Prozent unter dem Niveau von 1993 liegen würden.
Erinnern Sie sich noch an damals? Wendezeit, Wohnungsnot, Wuchermieten? Für ein mit Sperrmüll vollgestelltes 40-Quadratmeter-Erdgeschoss-Loch im düsteren Hinterhof eines Berliner Altbaus waren damals umgerechnet 800 Euro Miete am Markt durchsetzbar. Folgt man einer solch abstrusen Logik, könnte man ebenso gut argumentieren, Aktien seien gerade spottbillig (was sie keineswegs sind), weil das Kurs-Gewinn-Verhältnis im Jahr 2000, auf dem Höhepunkt der Aktienblase, ja um ein Vielfaches höher war als heute.
Die der Parteilichkeit bisher unverdächtige Deutsche Bundesbank hat sich in der jüngeren Vergangenheit mehrfach genauer mit den Wohnimmobilienmärkten befasst. Tenor: In Großstädten wie München, Berlin und Hamburg sind auf den Wohnungsmärkten Überhitzungen zu erkennen. Bei Einfamilienhäusern sei das jedoch nicht der Fall. Auch im gesamtdeutschen Durchschnitt bewegten sich die Preise auf keinem besorgniserregenden Niveau. Letzteres sei darauf zurückzuführen, dass in ländlichen Gebieten, die mit einer schrumpfenden Bevölkerung kämpfen, insbesondere in Ostdeutschland, die Preise stagnieren oder sogar rückläufig sind.
Eine vernünftige Bewertung als Basis für eine erfolgreiche Anlage
Für Anleger, die eine Immobilie als Renditeobjekt erwerben und vermieten wollen, sind solche Durchschnittsbetrachtungen aber im Grunde müßig. Denn sie können ohnehin nicht wie bei liquiden Anlagen den ganzen Markt kaufen und so ihr Risiko diversifizieren. Ein Mehrfamilienhaus oder eine Eigentumswohnung sind Einzelobjekte. Allein deren individuelle Beschaffenheit und Bewertung entscheidet über den Erfolg der Investition. Wohin der Markt als Ganzes läuft, ist bestenfalls zweitrangig.
Standortfaktoren, die steigende Kaufpreise und Mieten begünstigen, sind attraktiver werdende Lagen, eine starke lokale Wirtschaft und eine wachsende Bevölkerung. Diese Attribute nützen aber wenig, wenn die Wohnimmobilie zu teuer eingekauft wird. Dann ist die Rendite gering und die Verlustgefahr hoch, falls es beispielsweise zu längeren Mietausfällen kommt. Eine vernünftige Bewertung ist deswegen die zentrale Größe für alle Immobilieninvestoren.
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Absolute Kaufpreise sagen nichts aus
In den Medien erscheinen regelmäßig Ranglisten zu Immobilienpreisen. Sie zeigen, wie hoch die Quadratmeterpreise in einzelnen Städten und Landkreisen sind. Wer eine Wohnung oder ein Haus kaufen will, kann sich so ein Bild machen, welche finanzielle Belastung auf ihn zukommt.
Der Preis allein sagt aber nichts darüber aus, ob sich ein Kauf lohnt. Welche Rendite Immobilien voraussichtlich bringen, lässt sich nur mit Hilfe verschiedener Kennzahlen abschätzen:
Angenommen ein Käufer muss für eine gut ausgestattete Eigentumswohnung in guter Lage in München 4.530 Euro pro Quadratmeter bezahlen und in Halle an der Saale lediglich 1.515 Euro. Daraus nun den Schluss zu ziehen, München wäre hoffnungslos überteuert und die Immobilie in Halle ein Schnäppchen, wäre falsch. Denn der Vergleich der absoluten Preise liefert keinen Hinweis darauf, wie eine Immobilie bewertet ist. Entscheidend ist vielmehr das Verhältnis des Kaufpreises und der erzielbaren Jahresnettokaltmiete, also dem Ertrag, der sich mit der Vermietung der Fläche erzielen lässt (Heiz- und Nebenkosten sind darin nicht enthalten).
Der Ertragsfaktor oder Multiplikator
Wenn man den Kaufpreis durch die Jahresnettokaltmiete teilt, erhält man das Vielfache der Jahresnettokaltmiete. Diese Kennzahl wird auch Multiplikator oder Ertragsfaktor genannt. Je größer sie ist, desto teurer ist das Objekt – und umgekehrt. Als Faustregel gilt: Mehr als das 20-Fache der Jahresnettokaltmiete sollten Käufer nur in Ausnahmefällen bezahlen, beispielsweise wenn eine besonders gute Lage eine höhere Bewertung rechtfertigt.
Beispiel: Wenn eine 100-Quadratmeter-Wohnung in München 453.000 Euro kostet und die erzielbare Jahresnettokaltmiete 18.000 Euro beträgt, ergibt sich ein Ertragsfaktor von 25,2. Ein in Lage, Bauqualität und Ausstattung vergleichbares Objekt ist in Halle schon für 151.500 Euro zu haben. Die Jahresnettokaltmiete beträgt aber auch nur 7.600 Euro. Daraus errechnet sich ein Ertragsfaktor von rund 19,9.
Die Bruttomietrendite oder Bruttoanfangsrendite
Halle ist in diesem Beispiel also tatsächlich billiger. Das zeigt auch die höhere Rendite, die Immobilien dort erzielen können: Aus dem Kehrwert des Ertragsfaktors (1:19,9 ) erhält man die sogenannte anfängliche Bruttomietrendite. Das ist die Rendite vor Abzug von Kaufnebenkosten sowie Bewirtschaftungs- und Instandhaltungskosten. In dem Hallenser Beispiel beträgt sie 5 Prozent, in München dagegen nur 4 Prozent. Halle scheint also der günstigere und damit lukrativere Markt zu sein.
Doch so einfach ist es nicht. In der höheren Rendite spiegelt sich auch das größere Risiko, das Immobilienkäufer in Halle eingehen. Denn dort ist die Leerstandgefahr im Vergleich zum wirtschaftsstarken München deutlich höher. Für dieses größere Risiko wollen Käufer mit einer besseren Rendite für ihre Immobilien entschädigt werden.
Wie bei Anleihen ist die erwartete Bruttoanfangsrendite einer Immobilie in der Regel umso höher, je größer das Risiko ist. Umgekehrt ist eine höhere Bewertung (und damit niedrigere Rendite) ein Hinweis auf ein geringeres Risiko. Ist die Bewertung aber zu hoch, wird sie selbst zum Risiko.
Die Nettomietrendite
Sie setzt die Jahresmiete ins Verhältnis zum Kaufpreis, inklusive aller einmaligen und laufenden Nebenkosten. Auf den Kaufpreis werden die Makler- und Notarkosten sowie die Gebühren für die Grundbucheintragung aufgeschlagen. Von der Nettokaltmiete abgezogen werden die Verwaltungs- und Instandhaltungskosten (6 bis 12 Euro pro Quadratmeter im Jahr). Die Nettomietrendite sollte wenigstens 4 Prozent betragen, damit sich die Investition lohnt. Bei einem Ertragsfaktor unter 20 fällt sie häufig höher aus.
Die Eigenkapitalrendite
Die Eigenkapitalrendite gibt den durchschnittlichen Jahresertrag auf das eingesetzte Kapital an. Berücksichtigt werden alle Einnahmen und Ausgaben im Anlagezeitrum einschließlich der Kreditkosten. Auf Basis der Eigenkapitalrendite können Anleger Immobilieninvestitionen mit anderen Anlagen vergleichen. Kleine Gratisprogramme, mit denen sich die Eigenkapitalrendite überschlagen lässt, gibt es im Internet, beispielsweise bei der Stiftung Warentest.
Nicht vergessen werden sollte, dass das Ergebnis immer eine Prognoserechnung ist. Ob sich etwa Mieten und Wiederverkaufswert so entwickeln wie angenommen, weiß niemand. Auf Abweichungen von den Erwartungswerten reagiert die Eigenkapitalrendite umso stärker, je höher der Fremdkapitalanteil ist. Mit einem hohen Finanzierungsanteil kann einerseits die Eigenkapitalrendite gehebelt werden. Anderseits steigt aber eben auch das Risiko erheblich.
Fazit
Ertragsfaktor und Bruttoanfangsrendite sind einfach zu berechnen. Der Objektpreis ist bekannt und die ortsübliche Nettokaltmiete können Käufer leicht mit Hilfe von Mietspiegeln und aktuellen Vermietungsangeboten aus Zeitungen und dem Internet ermitteln. Beide Kennzahlen liefern aber nur einen ersten Hinweis auf die Bewertung eines Objektes. Ob sich eine Wohnung oder ein Haus im Einzelfall für einen Käufer lohnt, hängt von einer Reihe weiteren Faktoren ab: Etwa davon, ob er die Immobilie selbst nutzt oder vermietet, wie seine Kreditkonditionen aussehen und von welchen Steuervorteilen er profitiert.