Von Warren Buffett haben selbst Menschen schon etwas gehört, die sich nicht für die Börse interessieren. Über die Großtaten des US-amerikanischen Milliardärs und Investors wird hierzulande fast so viel berichtet wie über die Affären von Celebrities aus dem Showgeschäft.
Buffett steht für Erfolg. Für sehr großen Erfolg. Er ist der lebende Beweis dafür, dass es möglich ist, mit Investitionen in eine kleine Anzahl gezielt ausgewählter Aktien, den Marktdurchschnitt auch langfristig zu übertreffen. Kaum ein anderer Investor beherrscht das Stock Picking so gut wie er.
Anleger lieben solche Erfolgsstorys. Sie geben ihnen das gute Gefühl, es auch schaffen zu können. So wie der Erfolg von Boris Becker und Steffi Graf hunderttausende Jugendliche motivierte, mit dem Tennissport zu beginnen, so inspiriert Buffett Heerscharen von Anlegern, es ihm gleich zu tun und mit geschicktem Stock Picking den Markt zu schlagen.
Stock Picking ist eine hohe Kunst
Doch an der Börse ist es nicht anders als im Spitzensport. Seit der Ära Becker und Graf schafften es nur sehr wenige deutsche Tennisspieler in die Weltrangliste. Diejenigen, die die Top-Ten erreichten, lassen sich an einer Hand abzählen. Buffett ist so etwas wie der Roger Federer der Geldanlage. Eines der ganz seltenen Ausnahmetalente. Davon zeugt auch die schlechte Leistung der meisten professionellen Aktienfondsmanager, die es nicht schaffen, besser als der Marktdurchschnitt abzuschneiden. Die Rosinen aus dem Kuchen herauszupicken ist ganz offensichtlich eine hohe Kunst, die nur wenige beherrschen.
Von solch unumstößlichen Fakten lassen sich viele Anleger nicht schrecken. Die Verlockung, die künftigen Superaktien, die neuen Apples, Amazons und Googles dieser Welt frühzeitig zu entdecken und mit diesen Aktien reich zu werden, ist einfach zu groß. Doch – abgesehen vom persönlichen Talent – wie stehen statistisch betrachtet die Chancen für einen Privatanleger mit Stock Picking langfristig erfolgreich zu sein? Folgt man den Daten, dann sind die Aussichten ziemlich düster.
Stock Picking ist ein globaler Wettbewerb, bei dem es viele Verlierer gibt
Die Ausgangslage: Die Aktien aller börsennotierten Unternehmen rund um den Globus ergeben zusammen den Weltaktienmarkt. Ein nach dem Börsenwert der einzelnen Unternehmen gewichtetes Portfolio, das Aktien von jeder Firma enthält, ist das passive Marktportfolio. Dessen Rendite repräsentiert den Marktdurchschnitt.
Um den Markt zu schlagen, müssen Anleger ein „aktives“ Portfolio zusammenstellen, das vom Marktportfolio abweicht. Die gewichtete Rendite aller aktiven Portfolios entspricht genau der Marktrendite, wie der Wirtschaftsnobelpreisträger William Sharpe in seinem Artikel „The Arithmetic of Active Management“ vorrechnete. Beim Stock Picking kann es demnach nur eine begrenzte Anzahl von Gewinnern geben, deren überdurchschnittliche Renditen aus den Fehlern der Verlierer resultieren. Anders formuliert: Wenn sich einige Investoren ein größeres Stück von dem Kuchen abschneiden, fallen die Stücke der anderen Anleger kleiner aus.
Fiktives Beispiel: Angenommen alle Anleger hielten das Marktportfolio. Nur Sie wollen die Aktien der Müller AG abstoßen, weil Sie erwarten, dass der Kurs in den nächsten Jahren sinken wird. Nehmen wir weiterhin an, Sie finden einen Käufer. Doch nach der Transaktion steigt der Kurs der Müller AG stark an. In dem Fall würden Sie schlechter als der Marktdurchschnitt abschneiden und der Käufer besser.
Stock Picking ist ein Wettbewerb, bei dem Sie als Amateur gegen die Weltelite der professionellen Investoren antreten. Gegen den geballten Sachverstand der Fondsindustrie, gegen die Superhirne der Wallstreet-Banken und gegen die Genies unter den Hedgefonds-Managern. Sie alle machen rund um die Uhr Jagd auf die Gewinner von morgen – gestützt auf die beste Analyse- und Handelssoftware, die für Geld zu kaufen ist.
Privatanlegern mangelt es an Zeit, Ressourcen und Know-how
Sie dagegen sitzen zu Hause an ihrem PC, sehen sich wenig erhellende Kurscharts von Unternehmen an, kleben an den Lippen irgendwelcher Marketingclowns, die vorgeben, sie wüssten, wie der Hase läuft, und konsumieren Unternehmens-Informationen aus dritter und vierter Hand, von denen Sie nicht einmal wissen, ob sie überhaupt zutreffen. Fundierte Analysen können Sie selbst nicht erstellen. Dafür fehlt Ihnen die Zeit, der Zugang zu verlässlichen Marktdaten und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch das Know-how.
Doch das sind nicht die einzigen Unzulänglichkeiten, mit denen Privatanleger beim Stock Picking zu kämpfen haben. Gegen Stock Picking spricht auch die Statistik. Aktienrenditen sind nicht gleichverteilt. Vielmehr ist die Wertentwicklung der meisten Aktien unterdurchschnittlich, während eine kleine Gruppe von herausragenden Unternehmen den Gesamtmarkt zieht und langfristig für eine positive Marktrendite sorgt. Diese Ungleichverteilung nimmt mit steigender Anlagedauer zu. Das belegt eine Studie des US-amerikanischen Finanzprofessor Hendrik Bessembinder von der Arizona State University.
60 Prozent der globalen Aktien warfen eine geringere Rendite ab als der sichere Zins
Zusammen mit einem dreiköpfigen Forschungsteam untersuchte er rund 62.000 Aktien aus 41 Ländern, die zwischen 1990 und 2018 an öffentlichen Börsen gelistet waren. Weniger als die Hälfte der globalen Aktien (45,6 Prozent) lieferte eine positive Rendite inklusive Dividenden, gemessen in US-Dollar. Rund 60 Prozent der Titel schnitten schlechter ab als sichere US-amerikanische Staatsanleihen mit einer Restlaufzeit von einem Monat.
Nur 811 der rund 62.000 Aktien, 1,3 Prozent, sorgten für den gesamten Netto-Vermögenszuwachs (44,74 Billionen US-Dollar) oberhalb von US-Staatsanleihen mit einem Monat Restlaufzeit. Die anderen 98,7 Prozent der Aktien erreichten zusammen einen Wertzuwachs, der dem der US-Staatsanleihen entspricht. Die weltweit besten fünf Konzerne (Apple, Microsoft, Amazon, Alphabet, Exxon Mobil) sorgten allein für 8,27 Prozent des Netto-Vermögenszuwachses auf dem globalen Aktienmarkt.
Stock Picking: Wer die künftigen Superaktien identifizieren kann, erzielt märchenhafte Gewinne
Diese gewaltige Konzentration stellt Stockpicker einerseits vor ein massives Problem: Wer keine der Superaktien im Portfolio hat, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit schlechter abschneiden als der Marktdurchschnitt. Anderseits eröffnet die ungleiche Verteilung der Renditen sehr lukrative Chancen: Anleger, die das Talent und das Know-how zum Stock Picking haben, können märchenhafte Gewinne an den Aktienmärkten erzielen.
Wer nun meint, er brauche bloß die Superaktien der Vergangenheit zu kaufen, um in der Zukunft eine überdurchschnittliche Rendite zu erwirtschaften, liegt falsch. Die künftigen Gewinner sind nicht unbedingt die Champions von gestern. In den aktuellen Listen der Top-Aktien sind die Überflieger der Zukunft oft nicht zu finden.
Beispiel Amazon: Der Onlinehändler ging im Juni 1997 an die Börse. Knapp drei Jahre später erreichte die Aktie ein Hoch. Dann fiel der Kurs um 98,7 Prozent. 2002 lag Amazon am Boden, bevor die kometenhafte Erholung begann. Haben Sie damals billig Amazon-Aktien gekauft und die rosige Zukunft des Konzerns vorausgesehen? Vermutlich nicht.
Die Alternative zu rikantem Stock Picking: Kaufen Sie den ganzen Markt
Anleger, die nicht das Zeug zum Stock Picking haben, sind besser beraten, wenn sie mit börsengehandelten Indexfonds (ETF) gleich auf den ganzen Markt setzen, rät Finanzmarktforscher Hendrik Besembinder. Dann haben sie zwar die vielen Verlierer im Depot, aber eben auch alle Superaktien. Auf lange Sicht lieferte der Weltaktienmarkt eine anständige Rendite von etwa 7 Prozent pro Jahr.
Auch Warren Buffett, der Star unter den Stockpickern, empfiehlt ETF. Laut Medienberichten verfügte er in seinem Testament, dass seine Ehefrau 90 Prozent des von ihm vererbten Geldes in einen Indexfonds auf den S&P 500 stecken solle, der 500 große US-Unternehmen enthält.
Der emeritierte Princeton-Professor und Autor des Bestsellers „A Random Walk Down Wall Street“, Burton Malkiel, empfiehlt ebenfalls sowohl privaten als auch institutionellen Anlegern, in ein ETF-Portfolio zu investieren. Der Ökonom weiß aber auch um die Faszination, die Superaktien wie Apple auf viele Menschen ausüben. Solche Erfolgsstorys stimulieren den Spiel- und Spekulationstrieb der Anleger und lassen Indexstrategien unattraktiv erscheinen.
Burton Malkiels Empfehlungen für Stockpicker
Malkiel hält deswegen vier Ratschläge für Anleger parat, die unbedingt im großen Stock-Picking-Spiel mitmischen wollen:
- Kaufen Sie nur Aktien von Unternehmen, von denen Sie überzeugt sind, dass ihre Gewinne in den nächsten fünf Jahren schneller wachsen als die Gewinne im Marktdurchschnitt. Nachhaltiges Gewinnwachstum führt zu steigenden Dividenden und möglicherweise auch zu höheren Bewertungen gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV).
- Kaufen Sie Aktien, deren Börsenbewertungen in einem gesunden Verhältnis zu den fundamentalen Werten der Unternehmens stehen. Malkiel zielt nicht auf unterbewertete Value-Aktien. Das KGV könne durchaus leicht über dem Marktdurchschnitt liegen. Doch gleichzeitig sollten die Wachstumsaussichten dieser Konzerne überdurchschnittlich sein. Diese Strategie wird auch GARP genannt: Growth At A Reasonable Price.
- Suchen Sie nach Unternehmen, die überzeugende Wachstumsstorys vorweisen können. Im besten Fall begeistern diese Geschichten Millionen von Anlegern. Ein aktuelles Beispiel für eine solche Aktie ist Tesla. Die Kunst besteht darin, in einen solchen Wert einzusteigen, bevor die Massenhysterie losbricht.
- Handeln Sie so wenig wie möglich. Das spart Transaktionskosten und Sie vermeiden Steuernachteile (siehe Buy and Hold). Günstig Wertpapiere handeln können Sie bei der ING*. Eine Alternative ist die Consorsbank*. Anleger, die viel handeln, sind bei Smartbroker* richtig. Details zu diesen Anbietern und weitere Empfehlungen finden Sie in unserem Depot-Vergleich.
Doch selbst wenn Anleger diesen Regeln folgen, sei es nicht sehr wahrscheinlich, überragende Renditen zu erzielen, schreibt Malkiel. Um die Risiken des Stock Pickings möglichst gering zu halten, empfiehlt er ein ETF-Portfolio als Kerninvestment und nur Spielgeld für die Jagd nach den Superaktien einzusetzen.
Der Autor
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