Themen-ETFs waren Ende 2020 die Stars unter den börsengehandelten Indexfonds. Spezialisierte ETFs, die auf heiße Trends setzen wie saubere Energien, künstliche Intelligenz, Video Gaming, Cloud Computing, Blockchain-Technologie und medizinische Innovationen, zogen immer mehr Kapital an.
Nach Angaben des Datenanbieters Morningstar betrugen die Nettoinvestitionen in solche Produkte in Europa nach Abzug der Kapitalabflüsse 1,9 Milliarden Euro im Jahr 2018. 2019 waren es 1,3 Milliarden Euro und 2020 fast 9 Milliarden – ein Plus von fast 600 Prozent. Im Januar 2021 beschleunigte sich dieser Trend noch einmal. Morningstar zufolge flossen 2,6 Milliarden Euro in Themen-ETFs.
Der Run auf die Nischenprodukte dürfte auf zwei sich selbst verstärkende Effekte zurückzuführen sein: Laut Medienberichten stiegen 2020 weltweit Millionen junger Anleger an den Börsen ein. Denn nach dem Corona-Crash waren die Kurse vergleichsweise niedrig. Gleichzeitig boten neue Smartphone-Broker nahezu kostenlosen Wertpapierhandel an – die Gelegenheit erschien mehr als günstig.
Themen-ETFs: Neu-Börsianer lockt das schnelle Geld
Viele der Neu-Börsianer wollten möglichst schnell möglichst viel Geld machen. Das geht mit einzelnen Aktien, Hebelprodukten und eben Themen-ETFs. Ihr Ziel ist es, den breiten Aktienmarkt, den beispielsweise ETFs auf den MSCI World Index abbilden, zu übertreffen.
Nach dem Corona-Crash 2020 trieben Anleger die Renditen von Themen-ETFs gewaltig in die Höhe. Während steigende Preise in der Realwirtschaft für eine sinkende Nachfrage sorgen, locken sie an der Börse immer mehr Anleger an, die ebenfalls an den traumhaften Renditen teilhaben wollen. Auf diese Weise fließt immer weiter frisches Geld nach, das für weiter steigende Kurse sorgt – bis die Begeisterung für ein Investmentthema wieder abflaut.
So gut wie alle Themen-ETFs ließen den MSCI All Country World Index im Jahr 2020 weit hinter sich. Die Top 20 erzielten Renditen zwischen gut 120 und knapp 30 Prozent, zeigen Daten von Morningstar. Der Weltaktienmarkt legte lediglich um knapp 7 Prozent zu.
Vielen Anlegern bescherten Themen-ETFs hohe Verluste
Doch diejenigen, die während des Booms in Themen-ETFs investierten, sitzen heute meist auf hohen Verlusten. Von den 20 Produkten, die 2020 die höchsten Gewinne erzielt hatten, lieferten 16 in den folgenden zwei Jahren eine negative Rendite. Die Verluste lagen zwischen 7 und 45 Prozent (siehe Tabelle). Von den drei Produkten, die positive Erträge erzielten, schnitt nur eines besser ab als ETFs auf den MSCI-World-Index, die ein Plus von rund 17 Prozent verbuchten.
Die Sieger von einst sind die Verlierer von heute
Unangefochtener Spitzenreiter im Jahr 2020 war der Global Clean Energy ETF von iShares mit einer sagenhaften Rendite von 120 Prozent. Auch 2019 lieferte der Fonds mit 46,3 Prozent einen überdurchschnittlichen Ertrag. Bei ING, Deutschlands größter Onlinebank, war das Produkt im Januar 2021 der meistgekaufte ETF. Den dritten Platz belegte ein Konkurrenz-Fonds: der Lyxor New Energy ETF.
So märchenhaft die Entwicklung des iShares Global Clean Energy ETF 2020 auch war – Anleger, die auf dem Kurshoch im Januar 2021 einstiegen, verloren bis heute etwa ein Drittel ihres Kapitals. Auch langfristig gehört der Fonds zu den Verlierern. Wer seit der Auflage des Produktes im Juli 2007 investiert war, machte bis Ende Februar 2023 einen Verlust von mehr als 30 Prozent. Ein Investment in einen MSCI-World-ETF brachte im selben Zeitraum eine Rendite von fast 200 Prozent.
Trotz dieser desaströsen Bilanz zählt der iShares Global Clean Energy ETF nach wie vor zu den fünf beliebtesten börsengehandelten Indexfonds unter deutschen Anlegern. Das ergab eine Umfrage des Handelsblattes unter mehreren großen Onlinebrokern.
Studie: Themen-ETFs sind Verlierer-Investments
Die schlechte relative Wertentwicklung des Global Clean Energy ETF ist kein Einzelfall, zeigt eine Studie eines Teams aus Forschern von der Ohio State University, dem Swiss Finance Institute und der University of Pennsylvania. Die Wissenschaftler untersuchten Themen- und Sektor-ETFs in den USA und verglichen deren Wertentwicklung mit ETFs, die breit diversifizierte Märkte wie etwa den amerikanischen Aktienmarkt abbilden.
Ergebnis: Nach Kosten und risikobereinigt lieferten spezialisierte ETFs im Schnitt 2,9 Prozentpunkte Rendite weniger pro Jahr als Markt-ETFs. Als Ursache nennen die Forscher die meist sehr hohe Bewertung von spezialisierten ETFs, wenn sie auf den Markt kommen, gemessen am Kurs-Buchwert-Verhältnis. Auf hohe Bewertungen folgen oft unterdurchschnittliche Renditen, legen verschiedene Untersuchungen nahe.
Das Forschungsteam analysierte alle Aktien-ETFs, die zwischen 1993 und 2019 in den USA gehandelt wurden, insgesamt 1080 Produkte. 526 davon waren auf einzelne Themen oder Marktsektoren spezialisiert.
Nach Erkenntnissen der Wissenschaftler strickt die Finanzindustrie Themen-ETFs mit Vorliebe um „heiße“ Aktien herum, die gerade in der Gunst von Anlegern besonders hochstehen. Solche Titel erzielten in der jüngeren Vergangenheit sehr hohe Kursgewinne, standen im Medienfokus und überraschten mit einer unerwartet guten Geschäftsentwicklung. Die spezialisierten ETF kommen dann auf den Markt, wenn die Begeisterung der Anleger für diese Unternehmen und Themen ihren Höhepunkt erreicht oder bereits überschritten hat.
BLEIBEN SIE AUF DEM LAUFENDEN
Unser Newsletter informiert Sie über neue Ratgeber und Analysen in Fairvalue
Unbestechlich, kritisch, kompetent
BLEIBEN SIE AUF DEM LAUFENDEN
Unser Newsletter informiert Sie über neue Ratgeber und Analysen in Fairvalue
Unbestechlich, kritisch, kompetent
Vor allem unerfahrene Anleger greifen bei Themen-ETFs zu
Die Studie zeigt, dass es vor allem unerfahrene, schlecht informierte Anleger sind, die auf den Zug aufspringen und in Themen-ETFs investieren. Sie hätten „irrationale Erwartungen“ und extrapolierten die hohen Kursgewinne der Vergangenheit in die Zukunft, so die Wissenschaftler. Diese Anleger tendierten dazu, den vergangenen Renditen nachzujagen und die Risiken, die Themen-ETFs bergen, zu unterschätzen. Denn deren Portfolios sind im Vergleich zu Markt-ETFs stark konzentriert. Sie enthalten meist nur zwischen 30 bis 80 Aktien. Dabei handelt es sich zudem häufig um riskantere Nebenwerte.
Die Volatilität des iShares Global Clean Energy ETF war beispielsweise mit 30 Prozent seit 2007 fast doppelt so hoch wie die des Weltaktienmarktes. Zudem büßte der Themen-ETF zeitweise 87 Prozent seines Wertes ein. Ein MSCI-World-ETF verlor in der Spitze 53 Prozent.
Nach der Emission von Themen-ETFs ging die Medienberichterstattung über die darin enthaltenen Unternehmen meist sprunghaft zurück, ebenso wie das Gewinnwachstum, beobachteten die Wissenschaftler. Wenn sich dann die Kurse nicht so entwickelten wie erwartet, stiegen viele Anleger schon nach wenigen Monaten wieder aus. Das drückte die Wertentwicklung.
Anbietern verdienen prächtig an Themen-ETFs
Themen-ETFs lieferten im Schnitt in der Vergangenheit keinen Mehrwert für Anleger, lautet das ernüchternde Fazit der Studie. Dagegen verdienten die Anbieter prächtig. Obwohl in den USA spezialisierte ETFs nur 18 Prozent des in börsengehandelten Indexfonds angelegten Vermögens verwalten, lieferten sie 36 Prozent der Einnahmen aus Verwaltungsentgelten. Themen-ETFs sind deutlich teurer als Markt-ETFs. Erstere kosteten in den USA im Schnitt rund 0,7 Prozent pro Jahr. Letztere nur 0,1 Prozent.
Fairvalue-Empfehlungen
Laut der Studie konzentriert sich die unterdurchschnittliche Wertentwicklung von spezialisierten ETFs in den ersten fünf Jahren nach deren Auflage. Den Daten zufolge waren sie im Durchschnitt vom ersten Handelstag an auf dem absteigenden Ast.
Das trifft auf die vielen Themen-ETFs, die 2018 und 2019 hierzulande auf den Markt kamen, nicht zu. Doch die extrem hohen Kursgewinne im Jahr 2020 waren der oben beschriebenen Sonderentwicklung geschuldet. Der typische Verlauf, den Themen-ETFs laut der Untersuchung nehmen, hat sich zeitlich nur verschoben.
Anleger, die langfristig Vermögen aufbauen wollen, sollten sich von märchenhaften Gewinnen der Vergangenheit nicht blenden lassen und einen großen Bogen um Themen-ETFs machen. Wer nebenbei ein wenig Zocken will und ein Budget dafür hat, muss die jeweiligen Märkte genau beobachten und damit rechnen, dass es nicht gelingen wird, zum richtigen Zeitpunkt den Absprung zu schaffen.