Jedes Frühjahr wiederholt sich dasselbe Ritual: Kurz vor den Hauptversammlungen der großen deutschen börsennotierten Konzerne berichten Medien und Kundenmagazine von Banken über den bevorstehenden (Rekord)Geldsegen, den diese Aktiengesellschaften als Dividende an ihre Aktionäre ausschütten. Dabei suggerieren manche Medien und Geldinstitute ihren Kunden, wer jetzt noch schnell auf den Zug aufspringe, könne an den üppigen Ausschüttungen teilhaben und sich so einen Vorteil verschaffen.
„Die Dividende wird zur Hauptversammlung ausgezahlt. Anleger können sich jetzt mit den Aktien der Unternehmen eindecken, die im April oder Mai ihre Jahrestreffen abhalten“, lockt beispielsweise die comdirect alljährlich Anfang März in ihrem Kundenmagazin.
Anleger müssen sich die Dividende verdienen
Folgt man der Onlinebank, dann müssten Anleger bloß rechtzeitig die richtigen Aktien kaufen – eine üppige Dividende gibt es dann angeblich obendrauf, wie früher einen Aal beim Einkauf auf dem Hamburger Fischmarkt. Doch so funktionieren die Finanzmärkte nicht. Dividenden werden nicht verschenkt. Ein Anleger kann sie sich nur vollständig verdienen, indem er Aktien zwölf Monate hält.
Wer dagegen Anteilsscheine wenige Wochen vor der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft erwirbt, bezahlt für die Dividende, die ihm kurze Zeit später ausgeschüttet wird. Denn künftige Dividendenzahlungen sind im Kurs einer Aktie enthalten. Nur am Tag nach der jährlichen Hauptversammlung, auf der die Aktionäre die Höhe der Dividende beschließen, wird die jeweilige Aktie in Deutschland ohne Dividende gehandelt. Diesen Tag nennen Fachleute Ex-Tag.
In den darauffolgenden Monaten wird die nächste Dividende nach und nach im Aktienkurs berücksichtigt. Börsianer sprechen gerne vom „Einpreisen“. Je näher die nächste Hauptversammlung rückt, desto mehr von der erwarteten Dividende ist bereits im Aktienkurs enthalten. Am Ex-Tag, wenn die Aktie dann ohne Dividende gehandelt wird, fällt in der Regel deren Kurs. Der Kursverlust entspricht meistens nicht exakt der zuvor gemessenen Dividendenrendite. Denn der Abzug der Ausschüttung vom Aktienkurs wird von Kursbewegungen an diesem Tag überlagert. Die Dividendenrendite ergibt sich, indem man die Dividende durch den aktuellen Aktienkurs teilt und mit 100 multipliziert.
Kursabschläge am Tag nach der Hauptversammlung
Wie der Aktienkurs am Ex-Tag reagiert, lässt sich gut an den Aktien der Firmen Bayer, Deutsche Telekom und Siemens ablesen: