Steuertipp

Nach Börsencrashs Abgeltungssteuern sparen

Von Markus Neumann

Der Corana-Crash hat viele ETF-Portfolios in die Tiefe gezogen. Durch Verkäufe und anschließende Rückkäufe lassen sich Verluste nutzen, um Steuerzahlungen aufzuschieben, ohne dass dabei in die langfristige Anlagestrategie eingegriffen werden muss.

Wer ein gut diversifiziertes ETF-Portfolio besitzt und während eines Börsencrashs an seiner Strategie festhält, kann dennoch Steuern sparen, wenn Buchverluste aufgelaufen sind. Diese können Anleger steuerwirksam realisieren, indem sie börsengehandelte Indexfonds (ETF), die unter ihrem Einstandskurs notieren, verkaufen und am selben Tag wieder zurückkaufen. Die Verluste können mit künftigen Einnahmen aus Dividenden, Zinsen und Verkaufsgewinnen verrechnet werden. Dadurch sinkt die Steuerschuld.

Das sagt der Bundesfinanzhof

Laut dem Bundesfinanzhof (BFH), dem höchsten deutschen Steuergericht, stellt es keinen Gestaltungsmissbrauch dar, „wenn der Steuerpflichtige gleichartige Wertpapiere unmittelbar anschließend oder zumindest kurzfristig nach deren Veräußerung zu unterschiedlichen Preisen wiedererwirbt“ (BFH-Urteil vom 25.8.2009 IX R 60/07). Entscheidend ist, der Verkauf und Rückkauf zu verschiedenen Preisen. Der Anleger muss ein Kursrisiko getragen haben, um die gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen.

Steuerschuld wird in die Zukunft verschoben

Die Realisierung eines Verlustes durch einen Verkauf und anschließenden Rückkauf führt aber nicht dauerhaft zu einer Senkung der Steuerschuld. Vielmehr wird die Zahlung von Abgeltungssteuer in die Zukunft verlegt. Diese aufschiebende Wirkung kann spürbare Renditevorteile mit sich bringen. Kapital, das dem Portfolio etwa bei einem Rebalancing durch Steuerzahlungen entzogen würde, bleibt länger investiert – und erwirtschaftet in einem steigenden Markt zusätzliche Gewinne.

Teilfreistellung gilt auch für Verluste

Beispiel: Angenommen ein Anleger verkauft einen Aktien-ETF 4000 Euro unter seinem Einstandswert. Von dem realisierten Verlust werden 30 Prozent abgezogen. Das ist die sogenannte Teilfreistellung bei Aktienfonds, die auch von Gewinnen abgeht.

Somit bleibt ein Verlust von 2800 Euro, der mit Depot-Einnahmen verrechnet werden kann. Stehen den Verlusten im selben Jahr nicht genügend Erträge zur Verrechnung gegenüber, wird das verbliebene Minus dem sogenannten Verlustverrechnungstopf gutgeschrieben und zu einem späteren Zeitpunkt verrechnet.

Die Abgeltungssteuer beträgt 25 Prozent, auf die noch einmal 5,5 Prozent Solidaritätszuschlag anfallen. Unter dem Strich beläuft sich die Abgeltungssteuer auf 26,375 Prozent ohne Kirchensteuer. Ein verrechneter Verlust von 2800 Euro führt somit zu einer Steuerersparnis von 738,50 Euro.

Steuerstundung erhöht den Gewinn

Unterstellt man eine langfristige Portfoliorendite von durchschnittlich 5 Prozent pro Jahr führt, diese zunächst nicht bezahlte Steuer nach zehn Jahren zu einem zusätzlichen Ertrag von gut 464 Euro vor Steuern. Diese Zahlen zeigen: Die Realisierung von Verlusten durch Verkauf und Rückkauf lohnt sich nicht, wenn die Beträge klein sind.

Auch das Kursrisiko ist nicht zu unterschätzen. Anleger machen beim Rückkauf der Wertpapiere entweder einen kleinen Verlust oder einen kleinen Gewinn, je nachdem ob sie die Papiere teurer oder billiger zurückkaufen. Um große Abweichungen vom Verkaufspreis zu vermeiden, sollten solche Transaktionen nur an Börsentagen durchgeführt werden, an denen die Kursschwankungen relativ gering und die Handelsspannen zwischen Verkaufs- und Kaufpreis klein sind.

Investmentsteuerreform verstellt den Blick auf Gewinne und Verluste

Aufpassen müssen Anleger auch mit ETF und anderen Wertpapieren, die sie vor dem 1. Januar 2018 gekauft haben. Damals trat das neue Investmentsteuerreformgesetz in Kraft. Die Reform führte dazu, dass alle Altbestände zum 31.12.2017 als fiktiv verkauft betrachtet werden. Gewinne und Verluste bis zu diesem Zeitpunkt werden nach den alten Steuerregeln abgerechnet. Gleichzeitig wurde in den Wertpapierdepots der Kurswert von Ende 2017 als neuer Einstandskurs angesetzt.

Gewinne und Verluste, die Anleger jetzt beispielsweise in den Wertpapierdepots der ING-Diba angezeigt bekommen, beziehen sich allein auf die Zeit ab 1.1.2018. Checken Sie unbedingt vor einem Verkauf und Rückkauf, welche Gewinne oder Verluste in der Zeit zuvor aufgelaufen sind. Bei der ING-Diba können Sie entsprechende Belege über die fiktiven Verkäufe anfordern, die Ihnen kurze Zeit später in Ihrer Post-Box zur Verfügung stehen.

Sind fiktive Gewinne angefallen, werden diese zunächst gegen die Verluste seit 2018 aufgerechnet. Da es vor der Reform des Investmentsteuergesetzes keine Teilfreistellung gab, kann der Verkauf von älteren Aktien-ETF seltsame Blüten treiben. Es ist möglich, dass Anleger, obwohl sie insgesamt einen Verlust erlitten, Abgeltungsteuer bezahlen müssen, weil die Gewinne bis 2017 voll zählen, die Verluste seit 2018 aber nur zu 70 Prozent.

Der Autor


Markus Neumann ist Finanzjournalist, Herausgeber des Online-Anlegermagazins Fairvalue und Sachbuchautor. Zuletzt erschien von ihm „Das ETF-Portfolio – wie Sie ein fast unschlagbares Depot zusammenstellen und managen“. 2020 war er für den Deutschen Journalistenpreis in der Kategorie Vermögensverwaltung nominiert. Folgen Sie ihm auf Twitter.

© Fairvalue, aktualisiert am 23.09.2021

Quellen

Eigene Recherchen und Berechnungen

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