Milliardenhilfen wegen Corona

Schrumpfkuren für Staatsschulden – die Tricks der Politik

Von Markus Neumann

Staatsschulden sind bei hoher Inflation und Wachstum kein Problem

Derzeit wird oft gefragt, wer eigentlich die Corona-Hilfsmilliarden zurückzahlen soll? Die Antwort lautet: niemand. Wie das geht? Regierungen können die relativen Staatsschulden senken, ohne einen Cent von dem geliehenen Geld zurückzuzahlen. Hier eine kleine Anleitung.

Die Staatsschulden eines Landes werden im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) gemessen. Deswegen ist immer von „Schuldenquoten“ die Rede. Nur mit solchen relativen Kennzahlen lässt sich die Verschuldung einzelner Länder sinnvoll vergleichen. Ein kleines Land kann unter einer Kreditlast von 200 Milliarden Euro zusammenbrechen, für ein großes Land wie die USA wäre eine solche Summe marginal.

Die relative Staatsschuldenmessung ermöglicht die Senkung der Schuldenquoten mit Hilfe von niedrigen Zinsen und hoher Inflation. Wenn sich ein Staat rechnerisch von seinen Schulden befreien will, muss das nominale BIP schneller steigen als der Schuldenberg. Dann sinkt die Schuldenquote.

Das nominale BIP misst die Menge aller in einer Volkswirtschaft produzierten Güter und Dienstleistungen zu aktuellen Preisen, enthält also auch die Teuerungsrate. Wenn man die Inflation herausrechnet, erhält man das reale BIP. Dessen Wachstumsrate zeigt, um wie viel die Menge der hergestellten Güter und Dienstleistungen gestiegen (oder gesunken) ist. Das nominale BIP steigt also jährlich in Höhe der Inflationsrate und der realen Wachstumsrate.

Angenommen die Zinsen für die Staatsschulden im Inland wären genauso hoch wie die Inflationsrate. Dann könnte die Regierung die Zinsen vollständig mit neuen Krediten bezahlen, ohne dass die für die Kreditwürdigkeit entscheidende Schuldenquote anstiege. Denn das BIP würde dann ja mindestens so schnell wie die Schulden wachsen. Falls das BIP auch real zunimmt, würde die Schuldenquote um diese Rate Jahr für Jahr abnehmen.

Ideal für eine Regierung ist natürlich eine Inflation, die höher als der Zins ist. So wie in den vergangenen Jahren in Deutschland. Dann sinkt die Schuldenquote noch schneller  – nämlich in Höhe des negativen Realzinses plus des realen Wachstums. Die Staatsschulden wachsen zwar von Jahr zu Jahr um die kreditfinanzierten Zinsen, aber gemessen am nominalen BIP werden sie jährlich kleiner, weil sie mit einer deutlich geringeren Rate wachsen als das nominale BIP. Auf diese Weise verschwindet ein Schuldenberg, ohne jemals Zinsen und Tilgung zu bezahlen.

Die Zeche zahlen schlecht informierte Sparer, die den überwiegenden Teil ihres Vermögens als Bankeinlagen und in Form von schlecht verzinsten Versicherungspolicen halten. Bei neagtiven Realzinsen schrumpft die Kaufkraft ihres Vermögens von Jahr zu Jahr.

Der Autor


Markus Neumann ist Finanzjournalist, Gründer des Online-Anlegermagazins Fairvalue und Sachbuchautor. Zuletzt erschien von ihm „Das ETF-Portfolio – wie Sie ein fast unschlagbares Depot zusammenstellen und managen“. 2020 war er für den Deutschen Journalistenpreis in der Kategorie Vermögensverwaltung nominiert. Folgen Sie ihm auf Twitter.

© Fairvalue, aktualisiert am 15.12.2020

Fotografie: Alice Pasqual / Unsplash

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