Marktdaten

Immobilienpreise sind letztlich nur eine ungenaue Schätzung

Von Markus Neumann

Immobilienpreise sind nur eine Schätzung

Bei Meldungen über märchenhafte Steigerungen der Immobilienpreise auf dem deutschen Markt ist grundsätzlich Vorsicht geboten. Seit Jahren überschlagen sich die Rekordmeldungen geradezu. Solche Berichte fußen häufig auf „Untersuchungen“ der Immobilien- oder Medienindustrie, die an dieser Art der Stimmungsmache glänzend verdienen.

Manche der skizzierten Preisentwicklungen mögen in der Tendenz stimmen. Doch nicht selten ist das Zahlenwerk wenig belastbar – und weckt falsche Erwartungen. Kern des Problems ist die schwierige Messung der Immobilienpreise. Genau genommen weiß niemand, wie sich die Preise tatsächlich entwickeln. Denn Häuser und Wohnungen sind keine homogenen Güter, die wie Aktien an Börsen gehandelt werden können. Der Markt ist intransparent, jede Immobilie (und auch ihr Preis) individuell.

Die Gutachterausschüsse, denen alle Immobilienverkäufe gemeldet werden, die mit einer Grundbuchänderung verbunden sind, erfassen lediglich die Anzahl der Transaktionen, den Umsatz und die Summe der gehandelten Flächen.

Daraus lassen sich zwar Durchschnittspreise errechnen. Doch die sagen nichts über die tatsächlichen Immobilienpreise aus, weil die Qualität der Objekte (Standort, Bauzustand, Ausstattung etc.) unberücksichtigt bleibt. Wenn also in einem Jahr besonders viele teure Immobilien gehandelt werden, zieht das die Durchschnittspreise nach oben, ohne das sie in Wirklichkeit gestiegen sein müssen.

Ein weiteres Manko: Die Zahlen der Gutachterausschüsse, die nur einmal im Jahr zusammengefasst werden, sind bei ihrer Veröffentlichung schon lange überholt. Die Folge: Steigen die Immobilienpreise, unterschätzen die Daten den Markt, und bei Abschwüngen überzeichnen sie ihn. Hinzu kommt, dass eine Vielzahl von Immobilientransaktionen nicht meldepflichtig ist. Bei sogenannten Share-deals werden lediglich Anteile von sogenannten Zweckgesellschaften übertragen, die die Immobilien halten. Diese Verkäufe, die zu keinen Grundbuchänderungen führen, laufen an der amtlichen Statistik vorbei. .

Neben den bekannt geworden Transaktionen nutzen Preisindexanbieter Angebotspreise aus Immobilienanzeigen. Auch diese Quellen haben den Nachteil, dass sie nicht die Qualität der Immobilien spiegeln. Zudem bleiben die tatsächlich gezahlten Preise im Dunkeln. Mit statistischen Verfahren versuchen Mathematiker diese Unzulänglichkeiten aus den Rohdaten herauszurechnen. Die Ergebnisse, die in Indizes zusammengefasst werden, sind Näherungswerte, die auch als solche interpretiert werden sollten.

Aufpassen müssen Investoren auch, ob ein Index überhaupt für sie relevante Informationen abbildet. Der Immobilienmarkt teilt sich in verschiedene Segmente (beispielsweise Büro, Handel, Industrie, Wohnen), die sich zum Teil unabhängig voneinander entwickeln. Diese Teilmärkte wiederum gliedern sich in Untermärkte, die ebenfalls von unterschiedlichen Faktoren beeinflusst werden.

Beispiel Wohnen: Hier muss zwischen Neubau und Bestand und zwischen Ein- und Zweifamilienhäusern, Mehrfamilienhäusern und Eigentumswohnungen (selbst genutzt und als Renditeobjekt) unterschieden werden. Für fast alle Segmente gibt es Einzelindizes, die häufig zu Gesamtindizes zusammengefasst werden. Dabei gehen die einzelnen Anbieter unterschiedlich vor.

Das gilt auch für die Aufbereitung von Daten. Obwohl die meisten Researchhäuser dieselben Quellen nutzen, gelangen sie zum Teil zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. So berechnete beispielsweise empirica für das dritte und vierte Quartal 2011 einen weiteren Anstieg der Mieten in Deutschland. Das Hamburger Analysehaus F+B Forschung und Beratung machte dagegen auf Basis derselben Daten fallende Preise aus.

Solche erstaunlichen Diskrepanzen verdeutlichen, dass bei Immobilienmarkt-Untersuchungen immer eine gesunde Skepsis angebracht ist. Investoren sollten sich deswegen immer auf mehrere Quellen stützen, wenn sie die Immobilienpreise unter die Lupe nehmen.

Die wenigstens Preisbarometer enthalten allerdings für Zinshausinvestoren aussagekräftige Daten. Für sie sind die Mietpreisentwicklung und die Vergleichswerte für Mehrfamilienhäuser entscheidend. Letztere werden von F+B Forschung und Beratung berechnet. Die anderen Indexanbieter konzentrieren sich in der Regel auf (selbstgenutzte) Ein- und Zweifamilienhäuser und Eigentumswohnungen.

Der Autor


Markus Neumann ist Finanzjournalist, Gründer des Online-Anlegermagazins Fairvalue und Sachbuchautor. Zuletzt erschien von ihm „Das ETF-Portfolio – wie Sie ein fast unschlagbares Depot zusammenstellen und managen“. 2020 war er für den Deutschen Journalistenpreis in der Kategorie Vermögensverwaltung nominiert. Folgen Sie ihm auf Twitter.

Artikel jetzt freischalten und weiterlesen
Hidden
Ihr Name(erforderlich)
E-Mail(erforderlich)
Preis:

Was wir bieten:

  • Exklusive Inhalte mit Tiefgang
  • Konkrete Anlageempfehlungen
  • 30-Tage Zugriff auf den Artikel
  • Keine Werbung, kein Abo
Kreditkartenzahlung via Stripe

 

Fairvalue ist Deutschlands investigatives Onlinemagazin für Geldanleger. Die Redaktion erstellt ihre exklusiven Analysen und Ratgeber vorwiegend auf der Basis eigener quantitativer Untersuchungen. Die Beiträge liefern langfristig orientierten Investoren eine fundierte Grundlage für erfolgreiche Anlageentscheidungen. Mehr über Fairvalue


© Fairvalue, aktualisiert am 25.07.2022

Fotografie: Alexander Andrews / Unsplash

Weitere Artikel zu:

Beitrag teilen

 

Mehr zum Thema

Aktuelle Beiträge

Geldanlage

vermoegensverwalter-tests

Vermögensverwalter-Tests

Kapitale Täuschung

Tests in den Magazinen Capital und Focus Money sollen Anlegern bei der Auswahl von Vermögensverwaltern helfen. Doch Profitstreben, Interessenkonflikte und mangelhafte Transparenz lassen die vermeintlich unabhängigen Untersuchungen in einem fragwürdigen Licht erscheinen. Wie sich Medien zum Handlanger von Finanzdienstleistern machen – und dabei glänzend verdienen.

Auszahlplan: Wer solide rechnet, kann sich entspannt zurücklehnen

Altersvorsorge

Auszahlplan – wie Ihre private Aktienrente ein Erfolg wird

Viele Anleger investieren in Wertpapiere, um für den Ruhestand vorzusorgen. Doch fast alle haben eine falsche Vorstellung davon, wie viel Geld sie im Alter monatlich aus ihrem Portfolio entnehmen können. Warum bei Ihrem Auszahlplan nicht das herauskommen wird, was Sie denken.

ETF-Empfehlungen: Die besten börsengehandelten Indexfonds

Geldanlage

ETF-Empfehlungen 2024: Die besten börsengehandelte Indexfonds für Ihr Depot

Es muss nicht immer nur der MSCI World sein. Unsere Empfehlungsliste für börsengehandelte Indexfonds (ETF) enthält 48 Produkte für 24 Anlagekategorien. Aus diesen nach der Fairvalue-Methode kuratierten ETF können Sie ein erstklassig diversifiziertes Portfolio zusammenstellen.