Vermögensverwalter-Tests

Kapitale Täuschung

Von Markus Neumann

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Tests in den Magazinen Capital und Focus Money sollen Anlegern bei der Auswahl von Vermögensverwaltern helfen. Doch Profitstreben, Interessenkonflikte und mangelhafte Transparenz lassen die vermeintlich unabhängigen Untersuchungen in einem fragwürdigen Licht erscheinen. Wie sich Medien zum Handlanger von Finanzdienstleistern machen – und dabei glänzend verdienen.

Vornehme Zurückhaltung gehört in der Branche der Vermögensverwalter normalerweise zum guten Ton. Doch im 32. Newsletter der Münchner Vermögenskultur AG wird es emotional. „Mit unglaublicher Freude und Stolz dürfen wir einen Fünf-Sterne-Gesamtsieg verkünden: Die Vermögenskultur AG gehört erneut zu den Top 10 Vermögensverwaltern in Deutschland“, jubilieren die Geldmanager. Die Auszeichnung verliehen hat ihnen die Zeitschrift Capital, nach Ansicht der Preisträger „Deutschlands führendes Wirtschaftsmagazin“.

Was in der frohen Botschaft an bestehende und potenzielle Kunden unerwähnt bleibt: Das Wirtschaftsmagazin testete lediglich einen Bruchteil der Anbieter, die auf dem deutschen Markt um vermögenden Kunden buhlen. Dennoch kündigt Capital auf dem Titel der Juli-Ausgabe 2024 „Die besten Vermögensverwalter Deutschlands“ an. Erst im Heft erschließt sich, dass es ausschließlich um sogenannte bankenunabhängige Vermögensverwalter geht. Doch selbst von diesem eigenschränkten Teilnehmerfeld testete die Zeitschrift, die im Hamburger Verlag Gruner + Jahr erscheint, nur einen kleinen Teil.

Marktabdeckung von bestenfalls 30 Prozent

Schätzungen zufolge gibt es wenigstens 400 unabhängige Vermögensverwalter in Deutschland. 349 von ihnen sind im Verband unabhängiger Vermögensverwalter (VuV) organisiert. Am Capital-Test nahmen aber nur 123 Unternehmen teil. Das sind lediglich gut 30 Prozent der Anbieter, worauf die Zeitschrift nicht hinweist.

Derartige Verschleierungen beschäftigten in Deutschland bereits mehrfach die Gerichte. Das Vergleichsportal Check24 beispielsweise wurde vom Landgericht Frankfurt am Main dazu verurteilt, „ausdrücklich darauf hinzuweisen“, wenn bei einem Vergleich von Versicherungen „eine nur eingeschränkte Versicherer- und Vertragsauswahl zu Grunde gelegt wird“. (Az: 2-03 O 347/19)

Geklagt hatte der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Begründung: Verbraucher würden einen Vergleich „sicher anders bewerten, wenn klar ersichtlich ist, dass ihnen nur eine beschränkte Auswahl von Anbietern präsentiert wird“, heißt es auf der Website des vzbv.

Auch der Vermögensverwalter-Test von Capital würde in einem anderen Licht erscheinen, wenn die Zeitschrift ihre Leser über die geringe Marktabdeckung informieren würde.

Wie Capital die Branche der Vermögensverwalter schön schreibt

Andere entscheidende Fakten blendet die Testberichterstattung ebenfalls aus. Capital erwähnt nur am Rande, dass die erzielten Renditen der getesteten Vermögensverwalter 2023 im Schnitt in allen untersuchten Depotklassen „leicht negativ“ gewesen seien. Zur Erklärung für das schlechte Abschneiden verweist die Zeitschrift auf das Börsenjahr, das „schwierig“ und „herausfordernd“ gewesen sei.

Tatsächlich war 2023 aber ein außerordentlich gutes Börsenjahr. Der Weltaktienmarkt, gemessen an einem börsengehandelten Indexfonds (ETF) auf den MSCI All Country World Index, erzielte mehr als 18 Prozent Gewinn. Das ist mehr als doppelt so viel im Vergleich zum langfristigen Durchschnitt. Ein ETF auf europäische Staatsanleihen mit bester Kreditwürdigkeit, eine schwankungsarme, vergleichsweise sichere Anlage, warf 6,8 Prozent Rendite ab.

Mit jeder erdenklichen Mischung aus diesen beiden Fonds hätten Privatanleger die vermeintliche Elite der deutschen Vermögensverwalter weit hinter sich gelassen. Aber das ist für Capital kein Thema. Trotz der im Schnitt negativen Renditen bewertet das Magazin 92,5 Prozent der Vermögensverwalter als „hervorragend“ oder „sehr gut“.

Fragwürdiges Benotungssystem

Das Benotungssystem ist darauf ausgelegt, möglichst viele Sieger zu küren. Bei Capital gibt es 2024 nicht einen Testsieger, sondern zehn. Diese Vermögensverwalter erhielten in der Gesamtwertung jeweils fünf Sterne. Das entspricht in der Methodik des Wirtschaftsmagazins einer „hervorragenden“ Leistung. Weitere 48 Unternehmen schneiden in der Gesamtwertung mit vier Sternen ab („sehr gut).

Eine Gesamtnote bekamen nur die Vermögensverwalter, die in den drei getesteten Portfolio-Kategorien (konservativ, ausgewogen, Chance) mindestens zehn Kundendepots für die Analyse vorweisen konnten.

56 Vermögensverwalter, die mangels Masse nur in einzelnen Portfolio-Kategorien untersucht wurden, benotet Capital ebenfalls mit vier oder fünf Sternen. Unter dem Strich stehen von 123 Unternehmen 114 in der Liste der „Top-Vermögensverwalter“. Schlechtere Noten bekamen offenbar nur neun Verwalter. Und die werden nicht einmal namentlich genannt. Dennoch rühmt sich die Redaktion ungeniert einen „Härtetest für Vermögensverwalter“ durchgeführt zu haben.

Lothar Koch vom Vermögensverwalter GSAM + Spee Asset Management hegt Zweifel, dass das Niveau der Vermögensmanager im Schnitt tatsächlich so hoch ist. „Nach der statistischen Gleichverteilung ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass fast alle top sind“, konstatiert der Portfoliomanager. Sein Kollege Stefan Schmitt, Geschäftsführer der Inno Invest in Darmstadt, sieht das genauso. „Das ist vollkommen unseriös“, kritisiert er.

Worum es dem Magazin in erster Linie geht, weiß Schmitt nur zu genau: „Derartige Tests sind eine reine Gelddruckmaschine. Die Untersuchungen werden so angelegt, dass man am meisten Geld damit macht.“

Das lukrative Siegelgeschäft

Geld in die Kasse von Capital fließt über die Lizensierung von Testsiegeln. Die ausgezeichneten Vermögensverwalter können ihre Websites und Marketingunterlagen mit dem Capital-Siegel „Top-Vermögensverwalter“ schmücken. Viele der gekürten Unternehmen greifen zu. Dass ein vermeintlich unabhängiger Dritter den Vermögensverwaltern bestätigt, exzellente Leistungen zu erbringen, macht offensichtlich Eindruck bei potenziellen Kunden.

Die Werbung mit der Strahlkraft der Marke Capital müssen die Vermögensverwalter bezahlen. Wie viel das Magazin für die Nutzung eines Siegels verlangt, veröffentlicht Gruner + Jahr nicht.  Auch auf Nachfrage von Fairvalue nennt der Verlag keine Preise.

Zur Orientierung: Die Stiftung Warentest, Deutschlands renommiertester Testveranstalter, verlangt für die einjährige Nutzung eines Siegels 11.300 Euro. Wer das Logo der Stiftung auch in der TV- und Kino-Werbung verwenden möchte, muss 26.600 Euro bezahlen. Für ein Capital-Siegel hat ein Vermögensverwalter, der nicht genannt werden will, nach eigenen Angaben 10.000 Euro bezahlt. Die Vermögenskultur AG will dagegen nur einen „überschaubaren vierstelligen Betrag“ überwiesen haben. Genauere Angaben wollen die Münchner nicht machen.

Kein streng gehütetes Geheimnis ist aber, dass das Siegel-Geschäft von Capital in Vergangenheit blendend lief. Unter dem ehemaligen Chefredakteur Horst von Buttlar, der im März 2023 zur Wirtschaftswoche wechselte, hat Capital „das Markengeschäft mit Siegeln stark ausgebaut“, erklärt der Journalist im April 2022 in einem Interview mit Horizont, einem Branchenblatt der Werbeindustrie. Das Siegelgeschäft trage zwischen 15 bis 20 Prozent zum Gesamtumsatz bei. Der Anteil am Gewinn sei deutlich höher. Er habe sich in manchen Jahren auf etwa ein Drittel summiert, so von Buttlar. Demzufolge sind die Gewinnmargen im Testgeschäft besonders hoch.

Bis zu 20 Tests veranstaltet Capital Jahr für Jahr, darunter „Beste Fondsgesellschaften“, „Beste Banking-Apps“, „Beste Kryptoanbieter“, „Beste nachhaltige Vermögensverwalter“ – und eben „Beste Vermögensverwalter“.

Schlechte Bewertungen passen nicht ins Geschäftsmodell

Wenn eine Redaktion die Branche der Vermögensverwalter kritisch unter die Lupe nehmen will, aber gleichzeitig den Boden für möglichst viele Siegelverkäufe bereiten soll, kann das nicht gutgehen. Wegen des Gewinnstrebens liegt ein Interessenkonflikt vor.

Schlechte Bewertungen passen nicht ins Geschäftsmodell. Je mehr Testteilnehmer exzellent abschneiden, desto mehr Testsiegel kann der Verlag gegen Bezahlung lizensieren. „Wenn eine Zahlung mit dem Ergebnis eines Tests in Verbindung steht, tritt man niemandem in die Kniekehle“, sagt Vermögensverwalter Lothar Koch.

„Redaktionelle Berichterstattung muss frei von wirtschaftlichen Interessen sein. Das ist im Pressekodex klar geregelt“, erklärt Hendrik Zörner, Pressesprecher des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV). Journalismus sei nicht unabhängig, wenn Testsiegel verkauft würden.

Die fragwürdige Rolle des Instituts für Vermögensaufbau

Zweifel an der Unabhängigkeit nährt auch die Rolle des Instituts für Vermögensaufbau (IVA), das die Untersuchung für Capital seit 2019 jährlich durchführt. „Institut“ – diese Bezeichnung klingt nach unabhängiger Wissenschaft. Tatsächlich ist das IVA aber eine gewinnorientierte Aktiengesellschaft, die als Dienstleister für Medien und die Finanzindustrie arbeitet.

Das IVA berät unter anderem Vermögensverwalter und zertifiziert deren Anlageportfolios gegen Bezahlung. Gleichzeitig testet das Unternehmen Vermögensverwalter im Auftrag der Zeitschriften Capital, Focus Money, uro und Bilanz. Mit den Tests mache das Institut „Qualität für private Investoren sichtbar und verständlich“, heißt es auf der Firmen-Homepage.

Unsichtbar für Leser und Anleger bleiben allerdings Interessenkonflikte, die aus der Doppelrolle des IVA als Anwalt und Richter der Vermögensverwalterbranche resultieren. Denn viele IVA-Kunden gehören auch zu den Unternehmen, die das Institut in den Tests von Finanzzeitschriften unter die Lupe nimmt.

IVA-Kunden glänzen mit exzellenten Testergebnissen

Es dürfte wenig überraschen, dass IVA-Kunden bei diesen Tests immer ganz vorne mitmischen: Beim Vermögensverwalter-Test von Capital waren die Unternehmen Liqid und BV & P Vermögen sechs Mal in Folge unter den Gesamtsiegern. Beide Firmen sind Kunden des IVA.

Im Test von Focus Money und dem Fernsehsender ntv beurteilte das IVA im vergangenen Jahr 40 Vermögensverwalter, vorwiegend Banken. 32 von ihnen zeichnen die Redaktionen mit dem Prädikat „herausragende Vermögensverwaltung“ aus. Das entspricht einer Sieger-Quote von 80 Prozent. Von den 32 Preisträgern sind neun Kunden des Instituts für Vermögensaufbau.

Die Focus-Money-Berichterstattung zu dem Test klingt, als hätte eine PR-Agentur sie verfasst, die für die Vermögensverwaltungsbranche arbeitet. Beispielsweise schreibt Hans-Peter Siebenhaar, Mitglied der Chefredaktion, im Editorial: „Selten war es so herausfordernd, Vermögen zu erhalten und zu vermehren. Zum Glück gibt es hierzulande zahlreiche Banken und Vermögensverwaltungen, die in der Geldanlage erstklassig beraten.“ Ähnliche Lobeshymnen durchziehen auch den Text zum Test.

Sonderdrucke mit gekaufter Berichterstattung

Die Schmeichelei kommt nicht von ungefähr. Focus Money verkauft den Preisträgern neben den Gütesiegeln auch „Sonderdrucke“ des Testberichtes. Die werden dann zusätzlich mit den Testergebnissen des Unternehmens und einem Interview mit dem Verwalter angereichert.

Auch das macht offensichtlich Eindruck bei der Werbung neuer Mandanten. Denn für die sieht es so aus, als hätte Focus Money groß über den jeweiligen Vermögensverwalter wegen seiner herausragenden Leistungen berichtet. Dass diese Berichterstattung gekauft ist und nichts mit aufklärendem Journalismus zu tun hat, können die Leser kaum erkennen.

Aber das ist noch nicht alles, was der finanziell potenten Kaste der Vermögensverwalter bei Focus Money geboten wird: Einige Wochen nach der Veröffentlichung der Untersuchung richtete die Zeitschrift eine Preisverleihung für die 32 Testsieger aus. Die Berichterstattung darüber war der Redaktion eine ganze Doppelseite wert. Neben einem Gruppenfoto, das alle Preisträger zeigte, und Bildern von den Festrednern garnierten drei weitere Schnappschüsse von Vermögensverwaltern den Bericht. Alle drei stehen auf der Kundenliste des Instituts für Vermögensaufbau.

Auch bei €uro und Bilanz haben IVA-Kunden die Nase vorn

Etwas exklusiver als bei den Tests von Capital und Focus Money/ntv geht bei es beim Anlegermagazin uro zu. Die Redaktion untersuchte 2024 zusammen mit dem IVA nur 15 Vermögensverwalter. Sieben von ihnen erhielten die Auszeichnung „Absolut empfehlenswerte Vermögensverwaltung“. Zwei der Testsieger sind IVA-Kunden, darunter das VZ VermögensZentrum, das die Redaktionen uro, uro am Sonntag und Börse-Online zudem mit dem „Goldenen Bullen“ als „Vermögensverwaltung des Jahres“ ehrten – bereits zum dritten Mal in Folge. Auf seiner Homepage setzt das Unternehmen noch einen drauf: Dort behaupten die Geldmanager, das uro-Magazin habe sie als „beste Vermögensverwaltung Deutschlands“ ausgezeichnet.

Das VZ VermögensZentrum schneidet auch beim Vermögensverwalter-Test des Schweizer Wirtschaftsmagazin Bilanz regelmäßig mit Auszeichnungen ab. In dieser Untersuchung bewertet das Institut für Vermögensaufbau in der zweiten Runde des Auswahlverfahrens die Anlagevorschläge der Vermögensverwalter und sitzt in der Jury. 2024 wurde Maerki Baumann & Co, ebenfalls ein IVA-Kunde, Gesamtsieger von 100 untersuchten Banken. Die Auszeichnung „Beste Bank national“ erhielt das VZ VermögensZentrum.

Magazine verschweigen Interessenkonflikte des Prüfinstituts

Die folgende Tabelle zeigt die Anzahl der IVA-Kunden, die in den vergangenen fünf Jahren bei Vermögensverwalter-Tests für herausragende Leistungen ausgezeichnet wurden. An diesen Tests war das IVA als Prüfinstanz beteiligt:

Quellen: Capital, Euro, Focus Money, Bilanz, IVA.

Weder Capital noch die drei anderen Magazin-Redaktionen legen die Interessenkonflikte des Instituts für Vermögensaufbau offen. Bilanz stellt das IVA sogar ausdrücklich als „unabhängig“ vor. „Das ist bedauerlich“, sagt Lothar Koch vom Vermögensverwalter GSAM + Spee Asset Management. Würde auf bestehende Interessenkonflikte hingewiesen, könnte jeder Leser die Testergebnisse besser einschätzen. Allerdings seien Verflechtungen in der Finanzbranche kaum zu vermeiden. „Es ist schwer möglich, eine komplette Unabhängigkeit bei Tests herzustellen.“

Für solche Fälle hat DJV-Mann Zörner einen unmissverständlichen Ratschlag: „Wenn ich kein unabhängiges Prüfinstitut finde, muss ich im Zweifel die Finger von dem Test lassen“, sagt er. Schließlich gehe es um die Glaubwürdigkeit der Redaktionen.

Unklare Testkriterien

So schwer wie Interessenkonflikte der Testveranstalter für Dritte zu durchschauen sind, so undurchsichtig sind auch manche Testkriterien. Zwar veröffentlichen Capital, uro, Focus Money und Bilanz die jeweilige Methodik. Doch die bleibt an mehreren Stellen vage.

Besonders beim Vermögensverwalter-Test von Capital ist weitgehend unklar, was genau die Tester messen. Nachvollziehbare Kennzahlen, anhand derer beispielsweise die Struktur der Anlageportfolios beurteilt wird, sucht der Leser vergeblich. Beim Kriterium „Produktumsetzung“ bewertet das IVA unter anderem „ob aktive Fonds sinnvoll“ eingesetzt werden. Was die Tester darunter verstehen, bleibt ihr Geheimnis. Wissenschaftlich anerkannte Kriterien für den Einsatz aktiver Fonds gibt es jedenfalls nicht.

Auch fachlich ist der Capital-Test fragwürdig

Wichtige Merkmale, auf deren Basis sich die Leistung der Vermögensverwalter objektiv beurteilen ließe, klammert der Test von Capital dagegen aus. Die Kosten der Vermögensverwaltungen, die von den Renditen der Kunden abgezogen werden, sind beispielsweise kein Bewertungskriterium. Ebenso wenig das Risiko, das die Portfoliomanager eingegangenen sind, um die erzielten Renditen zu erwirtschaften.

Die Rendite selbst geht nur mit einem Gewicht von 10 Prozent in die Gesamtwertung ein und wird lediglich über ein Jahr gemessen. Die Wertentwicklung der Portfolios über einen so kurzen Zeitraum ist aber reiner Zufall. Selbst die als „Top-Vermögensverwalter“ ausgezeichnete Asset Concepts schreibt auf ihrer Website: „… eine gute Performance in einem einzelnen Jahr ist im Grunde wenig aussagekräftig.“

Keine verbindlichen Regeln für Tests

Nach welchen Kriterien ein Leistungsvergleich durchgeführt wird, kann jeder Testveranstalter frei entscheiden. Auch in Sachen Transparenz gibt es keine Regeln. Verbindliche Mindeststandards für das Testen von Waren und Dienstleistungen existieren in Deutschland nicht. 2014 ließ der damalige Minister für Justiz und Verbraucherschutz, Heiko Maas (SPD), „Regeln der guten fachlichen Praxis des Testens“ entwickeln – eine Selbstverpflichtung, die nur die Stiftung Warentest, Öko-Test, die Computerzeitschrift c`t und der ADAC unterzeichneten.

Folgt man diesen Vorgaben, müssten die Finanzmagazine offenlegen, welchen Beitrag das Siegelgeschäft zum Umsatz und Gewinn der jeweiligen Zeitschrift leistet. Auch Konditionen und Preise für die Nutzung der Siegel müssten veröffentlicht werden. Weiter heißt es in den Regeln der Bundesregierung: „Die Verantwortung des Testveranstalters gegenüber den Verbraucherinnen und Verbrauchern verlangt, dass die Testergebnisse und deren Veröffentlichungen nicht durch wirtschaftliche Interessen des Testveranstalters selbst, seiner Eigentümer, der von ihm beauftragten Prüfinstitute oder Dritter beeinflusst werden.“

Das sagt der Bundesgerichtshof

Die Anforderungen der Bundesregierung an Testveranstalter fußen auch auf zwei Urteilen des Bundesgerichtshofs. Danach müssen Testkriterien, -methoden, -verfahren und -urteile „diskutabel“ sein. Im Klartext: Leistungsvergleiche müssen für Dritte nachvollziehbar und überprüfbar sein.

Die Initiative der Bundesregierung, die für mehr Seriosität bei Tests sorgen sollte, scheiterte. Das von Heiko Maas versprochene Online-Register, in dem Verbraucher nachsehen können sollten, welche Veranstalter sich zu den Regeln des guten Testens verpflichtet haben, existiert nicht.

Dabei wäre eine Regulierung des Testgeschäfts dringend nötig. Der Markt boomt. Allein im vergangenen Jahr bekam Inno-Invest-Geschäftsführer Stefan Schmitt 17 Anfragen für die Teilnahme an Tests. Wer mitmachen wolle, müsse in der Regel allein für die Teilnahme bezahlen, berichtet der Vermögensverwalter. Das bestätigt sein Kollege Lothar Koch. „Eine Teilnahmevergütung verlangen manchmal sogar Medien, von denen ich dachte, sie seien renommiert“, sagt er. Namen nennen möchte er nicht.

Die Mauer des Schweigens

Was sagen die Verlage? Das Wirtschaftsmagazin Capital ließ 32 Fragen, die Fairvalue dem Chefredakteur Timo Pache schriftlich stellte, unbeantwortet. Die Kommunikationsabteilung von RTL Deutschland, zu der Gruner + Jahr seit 2022 gehört, teilte lediglich in einer kurzen E-Mail mit: „Bei Capital sind die redaktionelle Aufbereitung der Studien und das sich daraus ergebende Lizenz- und Markengeschäft durch die Nutzungsmöglichkeit entsprechender Siegel strikt getrennt. … Um mögliche Interessenkonflikte von vornherein auszuschließen, erfolgt die Übermittlung der Daten an und deren Auswertung durch das IVA komplett anonymisiert, eine Zuordnung zu den jeweils dahinterstehenden Vermögensverwaltern ist allein durch die Redaktion von Capital möglich.“

Auch der Medienverband der freien Presse, der die Zeitschriftenverleger hierzulande vertritt, lehnte ein Interview ab. Der Verbraucherzentrale Bundesverband reagierte auf wiederholte Anfragen nicht.

Normalerweise stehen die Verbraucherschützer in der ersten Reihe, wenn es darum geht, unseriöse Praktiken der Finanzindustrie an den Pranger zu stellen. Doch in diesem Fall sind die Rollen anders verteilt. Schließlich stehen angesehene, vermeintlich seriöse Medien als Handlanger im Zentrum der Kritik. Medien sind aber wichtige Multiplikatoren, ohne die das Geschäftsmodell der Verbraucherschützer nicht so gut funktionieren würde.

Ebenfalls keine Interviews geben wollten Andreas Hackethal, Hartmut Walz und Andreas Oehler. Die drei gehören zu den bekanntesten deutschen Professoren, die sich regelmäßig in Medien zu Fragen des Anleger- und Verbraucherschutzes äußern. Womöglich erschien es ihnen nicht opportun, sich mit Medienkritik in Redaktionen unbeliebt zu machen.

Weniger überraschend ist der Standpunkt der Münchner Vermögenskultur AG. Die prämierten „Top-Vermögensverwalter“ wollen sich von Einwänden gegen den Capital-Test nicht die Siegerlaune verderben lassen. Vorstand Stephan Simon sagt, die Untersuchung sei „wissenschaftlich gut gemacht“. Dass zwei Kunden des Prüfinstituts Dauertestsieger sind, ist für ihn „kein Problem“.

Das dürften die Vermögensmanager von der Privatbank Hauck Aufhäuser Lampe ähnlich sehen. Auf der Unternehmenswebsite wirbt die Abteilung „Private & Corporate Banking“ mit acht verschiedenen Siegeln und empfiehlt: „Vertrauen Sie dem Testsieger.“

Der Autor


Markus Neumann ist Finanzjournalist, Gründer des Online-Anlegermagazins Fairvalue und Sachbuchautor. Zuletzt erschien von ihm „Das ETF-Portfolio – wie Sie ein fast unschlagbares Depot zusammenstellen und managen“. 2020 war er für den Deutschen Journalistenpreis in der Kategorie Vermögensverwaltung nominiert. Folgen Sie ihm auf Twitter.

© Fairvalue 05.08.2024

Fotografie: Pixabay/vasili1316

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